Herbert Emde

Wenn man’s nicht schafft, macht man so lange, bis man es geschafft hat.

Es ist ein frostiger Morgen, als ich auf dem Hof ankomme. Im Stall sehe ich eine junge Frau, die gerade dabei ist, die Kühe zusammen zu treiben und die Liegeplätze zu säubern. Herbert und seine Mutter treffe ich im Melkstand, wo ich die nächsten eineinhalb Stunden beim Melken zuschaue. Schon hier erfahre ich jede Menge Interessantes, über die Kühe, das Melken und die Geschichte des Betriebs: 1995 ist durch Kabelfrass von Mäusen ein Feuer ausgebrochen. Das Stroh war gerade reingefahren worden und ist komplett verloren gegangen. Die Tiere konnten gerettet werden, der Hof wurde in den zwei Jahren danach neu aufgebaut. Beim gemütlichen Frühstück mit frischer Milch und ahler Wurscht haben wir Zeit für ein ausführliches Gespräch. Danach kommt die Tierärztin und ich darf ihr bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen.

Du hast den Hof deiner Familie übernommen, war das für dich von vornherein klar?

Ja, das war es. Ich habe noch eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Meine Schwester hatte kein Interesse an der Landwirtschaft, mein Bruder ist fünf Jahre jünger, er hat Landmaschinenmechaniker gelernt und ist dabei geblieben. Ich habe mit fünfzehn meine Lehre begonnen. Man ist in jedem der drei Lehrjahre auf einem andern Betrieb. Das zweite Jahr habe ich bei uns gemacht, da hatte mein Vater schon Rückenprobleme. Weil ich hier war, konnte ich ihm ermöglichen, in Kur zu gehen und sich operieren zu lassen. Danach war ich zwei Jahre in der Technikerschule, von morgens acht bis nachmittags drei. Mit einundzwanzig war ich fertig. Dann muss man noch ein Jahr Praxiserfahrung haben, bevor man ausbilden darf. Eine Bekannte hat mich damals angesprochen, ob sie bei mir eine Ausbildung machen könnte. So kam es, dass ich schon mit dreiundzwanzig meine erste Auszubildende hatte.

Gerade hast du Hannah als Auszubildende hier, ich muss zugeben, ich war überrascht!

Hannah: Mir macht es Spaß mit den Kühen, inzwischen kenne ich fast alle beim Namen. Eigentlich wollte ich ein Studium beginnen, aber wegen Corona war alles online und das hat mich gar nicht angesprochen. Ich wollte lieber was Praktisches machen. Meine Mutter fand das nicht so toll, aber ich bin zufrieden und mache die Arbeit voll gerne, obwohl es anstrengend ist. Man muss sich am Anfang reinfuchsen. Aber irgendwann kennt man ja die Abläufe, dann weiß man, auf was man aufpassen muss.

Ihr bewirtschaftet einhundertundzehn Hektar Land und eben habt ihr hundertzwanzig Kühe gemolken. Wie schafft ihr das?

Für einen Familienbetrieb sind wir recht groß, in Hessen liegt der Durchschnitt bei sechzig Kühen.

Wir versuchen, immer mal rauszukommen. Vielleicht ist es nicht so wie bei anderen, aber drei, vier Tage Urlaub mache ich mit meiner Freundin schon mal. Voriges Jahr war Mama fünf Wochen in Kur, danach ist sie noch einmal fünf Tage los.

Herberts Mutter: Das tat gut, das habe ich mal gebraucht. Seit ich zwanzig bin, war ich bis auf wenige Ausnahmen jeden Tag im Melkstand, morgens und abends.

Der Papa ist letztes Jahr gestorben. Deshalb war meine Mutter lange in Kur. Er fehlt sehr. Wenn man’s nicht schafft, macht man so lange, bis man es geschafft hat. Da hängt man halt ein paar Stunden dran. Der Vater war die letzten Jahre viel krank, da mussten wir uns drauf einstellen. Er hat das Füttern übernommen und geholfen, so gut es ging. Mein Bruder unterstützt noch im Maschinenbereich. Wenn eine Person fehlt, muss man eben überlegen: Kann ich so weiter machen, oder muss ich was verändern?

Das ist auch einer der Gründe, weshalb wir auf einen Melkroboter umstellen wollen: Wegen der körperlichen Arbeitsbelastung und der Arbeitszeit, die hoffentlich weniger wird. Viele sagen, dass es die gleiche Zeit in Anspruch nimmt, nur nicht so regelmäßig und am Stück. Weil man die Tierkontrolle trotzdem machen muss, das passiert jetzt beim Melken. Man muss das System auswerten und auch den Roboter in Schuss halten. Die Kühe können häufiger dran gehen, die Milchleistung wird etwas ansteigen, wenn sie drei Mal täglich gemolken werden.

Mit so einem Melkroboter kommt noch mehr digitale Technik in den Alltag.

Ohne Digitalisierung wäre das nicht mehr zu bewältigen! Ich gebe alles, was ich mache, sofort über mein Handy in eine App ein. Das zieht einen schon runter, die ganze Bürokratie, Dokumentiererei und die Auflagen. Die ändern sich ständig, mal kommen neue dazu, mal werden sie verschärft, mal abgeschafft. Das geht ganz schön auf die Nerven, macht überhaupt keinen Spaß mehr.

Ich bin selber nur mit Haustieren aufgewachsen, nicht mit Nutztieren. Wie ist es denn für dich, mit den Tieren zu arbeiten?

Wenn sich die Kälber nicht von Anfang an gut entwickeln, werden es keine guten Milchkühe. Also kümmere ich mich sehr gut um sie. Klar macht es mehr Spaß, wenn die Tiere gesund sind. Ich sehe das natürlich auch so, dass die Kuh den Betrieb verlassen muss, wenn es nicht funktioniert. Leider habe ich da gar keine Zeit für und kann es mir auch finanziell nicht leisten, kranke Tiere durchzuschleppen. Wenn es Krankheiten sind, die schnell zu behandeln sind, dann ist es kein Problem. Anders ist es bei chronischen Sachen. Wenn ich denke, dass es mit einer Behandlung klappt, versuche ich das natürlich. Wenn nicht, muss das Tier gehen.

In der Milchviehwirtschaft ist man sehr von der Molkerei abhängig. Bist du mit deiner zufrieden?

Wir sind bei Friesland Campina, einem internationalen Unternehmen. Es ist eine Genossenschaft mit Mitgliedern aus Deutschland, Holland und Belgien. Landliebe ist ein bekanntes deutsches Produkt. Da kannst du an uns denken, wenn du in Zukunft einen Joghurt kaufst!

Unsere Molkerei hat schon sehr früh in Asien investiert und gutes Geld verdient. In Deutschland machen sie ein großes Minusgeschäft. Da fragt man sich, warum? Sie verdienen ihr Geld im Ausland, mit Produkten wie Milchpulver und Halbfabrikaten für die Lebensmittelindustrie und den pharmazeutischen Sektor. Die Marge ist bei solchen Produkten eben höher als bei Milch und Joghurt.

Wir haben das Glück, dass unsere Molkerei die letzten Jahre an der Spitze des Auszahlungspreises war, deshalb sind wir ganz zufrieden. Die Anforderungen sind aber auch höher, als bei anderen Molkereien. Aktuell liegt der Grundpreis bei 34 Cent, da kommen noch Qualitätszuschläge, Fett- und Eiweißzuschläge drauf, wenn man die Mindestanforderungen erreicht.

Wie kann man den Fett- und Eiweißgehalt der Milch denn beeinflussen?

Durch das Futter. Und die Zucht. Wenn ich überwiegend Bullen einsetzte, deren Nachkommen zwar viel Milch, aber mit wenigen Inhaltsstoffen geben, würde ich das in ein paar Jahren merken. Das könnte ich durch besseres Futter nicht ausgleichen.

Man muss auf die Inzucht achten und nicht jeder Bulle passt zu jeder Kuh. Wenn der Bulle zum Beispiel kurze Striche weitervererbt, kann ich ihn nicht zu einer Kuh geben, die auch kurze Striche hat. Man muss die Kataloge durchsuchen und schauen, welche Samen überwiegend zur Herde passen. Die Besamungsstationen bieten aber auch an, sich deine Herde anzuschauen und Vorschläge zu machen.

Ich habe erfahren, dass die männlichen Kälber für sehr wenig Geld nach wenigen Wochen verkauft werden. Gibt es eigentlich eine Möglichkeit, bei der Auswahl des Spermas dafür zu sorgen, dass eher weibliche Kälber geboren werden?

Wenn der Bulle in der Besamungsstation abspringt, bekommt man über hundert Portionen Samen raus. Es ist möglich, die männlichen Samen zu entnehmen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von fünfundneunzig Prozent werden dann weibliche Kälber geboren. Man kann also ein bisschen gegensteuern, aber das Sperma kostet das dreifache. Das ist schon lange möglich, aber auf Grund der Kosten ist es kein Standart. Für mich ist es ein großer Unterschied, ob ich fünfzehn oder fünfundvierzig Euro für eine Portion Sperma zahle. Und es ist ja auch nicht sicher, dass die Kuh gleich beim ersten Mal trächtig wird. Es braucht im Schnitt eineinhalb bis zwei Portionen.

Dass man vermehrt weibliche Kälber haben möchte, ist nur ein Aspekt. Es kommt vor, dass ich eine Kuh habe, die ich zwar noch weiter melken will, aber sie nicht so gut ist, dass ich weiblichen Nachwuchs haben will. Die besame ich mit einer Fleischrasse, damit ein Kreuzungskalb rauskommt, für das ich locker das Doppelte, wenn nicht sogar Dreifache bekomme. Das Sperma eines Bullen einer Fleischrasse kostet mich nicht mehr. Im Jahr gehen bei mir dreißig Kühe weg, also brauche ich auch nur dreißig neue. Wenn ich hundert besame, würde das ja bedeuten, dass ich viel mehr Mutterkälber habe, als ich brauche. Auf diese Art kann ich bei den Kälbern wenigstens den Erlös verbessern.

Ich mache aber ein ganzes Teil auch noch mit einem Deckbullen, den habe ich bei den Rindern mitlaufen. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt versuche ich, die Rinder mit gesextem Sperma zu besamen, um mehr weibliche zu kriegen. Und wenn sie zu alt werden, kommen sie zum Bullen, damit sie tragend werden. Bei den Kühen habe ich auch einen Deckbullen, der aber nur ab und zu zum Einsatz kommt.

Sind die Bullen dann mit auf der Weide, oder im selben Stall? Wie funktioniert das ganz praktisch?

Auf die Weide geht kein Bulle mit, schon wegen der Gefahr! Bei einer Kuh schaue ich, wann sie bullig ist und entscheide dann, ob ich sie zum Bullen lasse, besame oder gar nicht nochmal zulasse. Im letzten Fall wird sie abgemolken und geht dann zum Schlachthof.

Bei den Rindern läuft der Bulle mit im Stall. Die Rinder behalte ich ja nicht, um sie zu mästen, sondern um sie zum Abkalben zu bringen. Wenn das mit dem Besamen nicht klappt und sie zu alt werden, kommen sie zum Bullen. Das Besamen funktioniert wie folgt: Man packt mit der Hand im Besamungshandschuh in den Darm und fasst die Gebärmutter. Mit der zweiten Hand führt man die Besamungspipette über die Scheide in die Gebärmutter ein. Das braucht schon Übung.

Reicht euer Ackerland aus, um das Futter für alle Tiere anzubauen?

Unser gesamtes Ackerland besteht zur Hälfte aus Mais, zur Hälfte aus Getreide. Beides reicht nicht für unsere Viehzahl aus. Ich muss Getreide und Stroh zukaufen. Und dazu entweder noch Zuckerrübenschnitzel oder Mais. Wir bewirtschaften 110 Hektar, mit der Nachzucht müssen wir 280 Tiere satt bekommen. Noch ist die Nachzucht etwas hoch, ich hoffe, dass ich das besser in den Griff bekomme. Wenn dieser Stall hier fertig ist, dann haben die Kühe einen noch komfortableren Stall, mit Melkroboter, viel Luft, Licht und Platz, so dass sie älter werden. Zur Zeit habe ich eine RemontierungBestandsergänzungsrate, also die Anzahl der Nachzucht die nötig ist, um den Bestand der Milchkühe gleich zu halten. von 30%, die besten Betriebe schaffen 25%, da will ich hin, damit ich weniger Futter zukaufen muss. Dann kann ich mehr Kühe mit den Fleischrassen besamen und mehr durch den Verkauf der Kälber verdienen.

Wie alt werden die Kühe denn in so einem Milchviehbetrieb? Bei der hier habe ich an der Plakette gesehen, dass sie zehn Jahre alt ist.

In unserem Betrieb werden sie durchschnittlich vier einhalb Jahre alt. Weil viele ja schon nach einem Kalb den Betrieb verlassen. Wenn die Kuh beim Melken sehr lange braucht oder wenig Milch hat, dann lohnt es sich nicht, sie zu behalten und mit ihr zu arbeiten. Andere werden krank, bekommen Fußprobleme, obwohl der Klauenschneider regelmäßig kommt und ich selber mich auch darum kümmere. Das kann man noch verbessern. Mit zwei Jahren bekommen sie ihr erstes Kalb. Klar ist es schöner, wenn eine Kuh acht oder zehn Kälber bekommt, aber das ist selten.

Hat sich das verändert in den letzten Jahrzehnten?

Ja, es ist schon deutlich besser geworden! Mein Vater war nicht so der Tiermensch, für ihn waren Maschinen faszinierend, er ist noch in den Wald gegangen und hat Holz gerückt. Aber die Entwicklung unterstützt das natürlich, die Ställe sind viel komfortabler. Vor zwanzig Jahren hat man da gar nicht drauf geachtet, es war nicht im Fokus, dass eine Kuh, der es gut geht, mehr und bessere Milch gibt.

Bei meinem Großvater war es noch ein gemischter Betrieb, mit Sauen und Kühen. Mein Vater hat die männlichen Kälber gemästet, das habe ich aufgegeben, weil die Marge einfach zu gering ist. Unsere Fläche ist zu knapp. Man muss die Ställe vorhalten, das Futter zukaufen, und so weiter. Hinzu kommen die vielen gesetzlichen Einschränkungen: Mit den ganzen Düngeverordnungen kann ich nicht so viele Tiere auf der Fläche halten. Und dann geht es los: Wenn ich zu viele Tiere für meine Fläche habe, muss ich Leute suchen, die mir meine Gülle abnehmen, die wollen dafür Geld haben. Das sind wieder Kosten, die ich gegen rechnen muss.

Ihr habt selber keine Biogasanlage?

Nein, die Gülle geht in die städtische Biogasanlage. Es gibt eine Kooperation mit den Stadtwerken. Unsere Flächen sind teilweise Wasserschutzgebiet zwei und dreiZu den hessischen Wasserschutzgebieten findet man hier ausführliche Infornationen.. Auf alle Flächen, die in Gebiet zwei liegen, darf ich meine Gülle nicht direkt ausfahren. Sie läuft erst durch die Biogasanlage, wird erhitzt, damit die Keime abgetötet werden und danach wird sie auf unsere Flächen ausgebracht. Das funktioniert gut. Wenn ich aber generell zu viel Gülle habe, muss ich Abnehmer suchen.

Es macht übrigens keinen Spaß, dass wir ständig übergestülpt bekommen, woran wir alles die Schuld tragen und dass wir Maßnahmen ergreifen müssen, die wissenschaftlich überhaupt nicht belegt sind. Dass wir die Verursacher zum Beispiel für die roten Gebiete sind. Die einzigen Schuldigen sind die Landwirte, dabei kommt Nitrat auch durch andere Faktoren ins Wasser. Deutschland ist ja dazu verdonnert worden, eine riesige Summe Geld an die EU zu zahlen, weil die NitratwerteHier finden Sie eine Übersicht.  im Grundwasser zu hoch sind. Unsere Region hier liegt im roten Gebiet. Das heißt, wir dürfen nur zwanzig Prozent unter dem, was die Pflanzen an Nährstoffen benötigen, düngen. Das Interessante ist, dass die Grenze zu Nordrhein-Westphalen drei Kilometer von hier entfernt ist, und genau an der Grenze das rote Gebiet aufhört. Dort dürfen sie zu hundert Prozent aufdüngen. Wo ist der Beweis dafür, dass das Wasser hier verschmutzt wird? Die Messstellen sind völlig willkürlich gewählt. Unser Wasser wird regelmäßig untersucht, es hält bei jeder Messung die erforderten Nitratwerte ein! Trotzdem liegen wir aus undurchsichtigen Gründen im roten Gebiet. Das passt alles nicht zusammen. Wenn ich zwanzig Prozent weniger dünge, habe ich auch zwanzig Prozent weniger Ertrag. Ich bin auch der Meinung, dass das gar nichts bringt: Wenn weniger Pflanzen da sind, wird auch weniger Nitrat aus dem Boden gezogen.

Das Gleiche mit dem Insektenschutzprogramm: Wir Landwirte haben davor schon viel für die Insekten gemacht, mit Blühstreifen, Zwischenfruchtanbau und so weiter. Aber jetzt wird uns unterstellt, wir seien am Insektensterben schuld. Dabei gibt es so viele Gründe dafür. Jetzt werden erneut Mittel vom Markt genommen, die wir für einen ertragreichen Anbau brauchen und bei denen gar nicht wissenschaftlich geklärt ist, ob das die Insekten schützt oder welche Auswirkungen dann eingesetzte Alternativen haben. Was wir hier in Deutschland erreichen wollen, erreichen wir vielleicht, aber wo anders bleibt es erlaubt und von dort kommen dann unsere Lebensmittel. Es wird so lange weitergehen, bis wir nicht mehr in der Lage sind, uns in Deutschland selbst zu versorgen. Das wird so kommen.

Ein Beispiel aus der neuen Düngeverordnung: Die Breitverteilung der Gülle wird verboten, sie darf nur noch mit Schleppschläuchen ausgebracht werden. Bei der Breitverteilung habe ich Kosten von tausend Euro für den Verteiler, wenn ich einen Schleppschlauchverteiler an das Güllefass dran hänge, muss ich einen größeren Trecker haben, das Gestänge allein kostet dreißigtausend Euro. Selbst bei vierzig Prozent Förderung habe ich Mehrkosten von siebzehntausend Euro. Dann kommt noch hinzu, dass ich mit so einem Gestänge nicht mehr alle Flächen abfahren kann, weil es schwerer und größer ist.

Was mich ärgert ist, dass gar nicht bewiesen ist, dass es so viele Emissionen einspart. Bei der Breitverteilung entweicht mehr Stickstoff in die Luft und das soll reduziert werden. Wir schaffen es nicht, konkurrenzfähig zu bleiben, wenn in den Nachbarländern weiterhin alles erlaubt ist.

Es ist also sehr wichtig für dich, die Kosten niedrig zu halten?

Ja, aber es ist nicht einfach: Die Dieselkosten steigen, die Lohnunternehmer nehmen mehr. Der Rapsanbau ist zurück gegangen, durch die Düngeverordnung wird der Anbau schwerer und somit wird der Raps auch teurer.

Unser Fütterungsberater vom Betriebswirtschaftlichen Arbeitskreis war erst kürzlich da, er hilft mir, die ganzen Einnahmen gegen die Ausgaben zu rechnen und kann mir genau sagen, was ich brauche, um einen Liter Milch zu produzieren. Er meinte, dass der Milchpreis zwar in den letzten Jahren bis auf Ausnahmen stabil geblieben ist, aber die Produktionskosten jährlich um einen Cent steigen. Nicht nur wir, auch andere Betriebe mit Vieh müssen Futter zukaufen. Zum Glück habe ich voriges Jahr im Februar zu einem guten Preis für das ganze Jahr einen Vertrag abgeschlossen, vierundzwanzig Euro für hundert Kilo. Jetzt habe ich erfahren, dass die Preise auf fünfunddreißig Euro gestiegen sind.

Was ist deine Motivation, den Betrieb weiterzuführen?

Dass ich mein eigener Chef bin! Ich bin von klein auf gewohnt, Entscheidungen zu treffen. Es würde mir wahnsinnig schwer fallen, mir jeden Tag von jemandem sagen zu lassen, was ich zu tun hätte. Außerdem frühstücke ich jeden Tag mit der Familie, das können andere nur Sonntags. Wer kann sich das erlauben? Ich hätte keine Lust, mir ein geschmiertes Brot mit an die Arbeit zu nehmen. Wir können hier sitzen, uns unterhalten, gemeinsam in Ruhe frühstücken.

Hast du dir Sorgen gemacht, eine Frau zu finden, die dich begleitet?

Sorgen habe ich mir keine gemacht, aber dass man bei Frauen nicht ganz so gut landet, wenn man Landwirt ist, habe ich schon erfahren. Natürlich gibt es ein paar, die daran Interesse haben. Aber mit Anfang zwanzig war klar, dass das für die Meisten ein Ausschlusskriterium war. Die Arbeit schreckt vielleicht doch ab, weil man weiß, dass es auch am Wochenende zu tun gibt.

Es kann mir keiner erzählen, dass es mit einer Partnerin klappt, die nicht hilft. Auch wenn sie ihrer eigenen Arbeit nachgeht, so wie meine Freundin. Manchmal braucht man jede Hand. Wenn ich meine Arbeitsspitzen habe, in der Erntezeit zum Beispiel, würde ich es nicht gut finden, wenn sie rum säße und ein Buch liest oder so. Da würden sich negative Gefühle zusammenbrauen. Eine Partnerschaft funktioniert nur, wenn sie mit anfasst.

Gibt es in deinem Umfeld Leute, die dich überzeugen wollen auf Bio umzustellen?

Wir leben hier auf dem Land, viele haben noch den landwirtschaftlichen Hintergrund, da will mich keiner bekehren. Ich habe nichts gegen Bio und bin der Meinung, wenn das zu einem Betrieb und dem Betriebsleiter passt, dann ist es gut. Es gibt Biobetriebe, die haben das gut drauf, dagegen sage ich nichts. Aber wenn das einer nur mit halbem Engagement macht und mehr Unkraut auf dem Feld wächst, als Ernte, das gefällt mir nicht. Das sehen viele so: Lieber einen vernünftigen Schlag mit guter Frucht drauf stehen sehen, als wenn alles nur verunkrautet und verwuchert.

In meiner Erinnerung gab es früher mehr Blumen und Gräser an den Feldrändern als heute. Wieso hat sich das verändert?

Es ist schon schön, wenn der Feldrand blüht, aber wenn es ins Feld kommt, ist es problematisch. Wenn zum Beispiel in der Blühmischung Raps ist, kommt es vor, dass Käfer und Ungeziefer ins Feld kommen, deshalb muss man aufpassen, welche Zwischenfruchtmischung man säht. Sonst hat man am Ende mehr Aufwand, weil man sich um den Pflanzenschutz kümmern muss. Ich will meine Flächen schon sauber haben. Also muss ich zusehen, dass die Feldränder nicht wild sind. Weil ich die Flächen alle für mein Futter benötige, baue ich keine Blühstreifen an sondern nur Zwischenfrüchte, die dann vom Spätsommer bis in den Winter zum blühen kommen. Beim Karneval habe ich mich übrigens mal als Biene verkleidet und Blühmischungen verteilt. Das war lustig!

Schaust du optimistisch in die Zukunft?

Wir haben in den letzten Jahren viel investiert. Das heißt ja, dass ich gut gewirtschaftet habe und richtige Entscheidungen getroffen habe, sonst könnte ich mir das gar nicht leisten.

Das einzige, was mich nervös macht, sind die politischen Entscheidungen. Es gibt ja engagierte Landwirte, die unsere Ansichten vertreten. Man kann nicht stillschweigend alles mit sich machen lassen, andererseits werden die Entscheidungen trotzdem getroffen. Es wird viel auf die Beine gestellt, die ganzen Demos in Bonn und Berlin, aber es kommt nichts darüber in den Nachrichten. Am Anfang habe ich schon gehofft, dass die Demonstrationen etwas bringen, aber inzwischen bin ich nicht mehr so zuversichtlich. Vielleicht wird die Entwicklung verzögert, aber ganz sicher nicht aufgehoben. Es ist einfach zum Kotzen.

Wenn ich die Kosten im Griff behalte, glaube ich, dass ich weiterhin von der Landwirtschaft leben kann. Es gibt in Deutschland hohe Anforderungen an uns Landwirte. Unsere Kosten werden dadurch in die Höhe getrieben. Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir auf dem europäischen und sogar auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben müssen.