Es ist schon sehr idyllisch hier. Wie seid ihr als Städter im Dorf aufgenommen worden?
Wir sind sehr gut aufgenommen worden und haben viel Unterstützung bekommen. Von den Nachbarn, auch im landwirtschaftlichen Bereich. Sie haben uns mit Wissen und Maschinen unterstützt, das ist richtig toll. Die Bewohner finden es schön, dass Publikum ins Dorf kommt, um unseren Käse zu kaufen.
Welche Unterschiede konntest du in der Einstellung der Dorfbewohner im Vergleich zur Stadt ausmachen?
Erstens, dass ich als Frau in der Landwirtschaft arbeite, das ist noch nicht so ganz durchgedrungen zu den Leuten. Meistens führt Felix die Gespräche, wenn es ums Land geht, weil er darauf angesprochen wird. Bei manchen ist es jetzt langsam angekommen, dass eigentlich ich diejenige bin, die das hier macht. Ich finde es schon ganz spannend, diese Krusten aufzubrechen. Zweitens, wenn es um die Kindererziehung geht. Felix hat letztes Jahr sechs Monate Elternzeit genommen, damit ich arbeiten konnte. Das fand ich richtig gut. Bei den älteren Dorfbewohnern merkt man noch, dass sie das ungewöhnlich finden. Langsam wird wahrgenommen, dass auch Männer sich um die Erziehung und die Kinder kümmern können. Auch für mich war es eine Umstellung, ich musste erst lernen, dass es auf dem Land andere Muster gibt, als in der Stadt.
Hast du jetzt das Gefühl, dass du deine ökologischen Vorstellungen auslebst und etwas bewegst?
Ich bin mir selbst gegenüber in dieser Beziehung sehr kritisch. Was die Bewirtschaftung der Flächen angeht denke ich schon, dass es eine besondere Form der ökologischen Landwirtschaft ist. So macht es nicht jeder Ökolandwirt, weil es nicht vorgeschrieben ist. Durch die Kommunikation mit meinen Kunden habe ich die Möglichkeit, Informationen weiterzugeben. Ich habe den Eindruck, dass ich sie für einiges sensibilisieren kann. Außerdem verpacke ich nichts in Plastik, das kommt sehr gut an. Ich versuche, eine möglichst gute Landwirtschaft zu machen. Es fühlt sich für mich jetzt besser und wertvoller an.
Wir haben manchmal mit Naturschutzbehörden Gespräche, wo es ganz seltsame und sinnlose Auflagen gibt. Ich empfinde sie als sehr starr und oft nicht nachhaltig. Zum Beispiel gibt es bestimmte Baumarten, die wir nicht anpflanzen dürfen, obwohl sie nachhaltig wären und hierher passen würden. Dann gibt es gut gemeinte Projekte, die einfach nicht umsetzbar sind oder am Ziel vorbei gehen.
Es gibt im Kreis ein neues Projekt „Schaf schafft Landschaft“, das die Schäfereien stärken soll. Dieses Projekt hat viele gute Ansätze und scheint mir in vielen Bereichen auch sehr nachhaltig zu arbeiten.
Die größte Kritik an der ökologischen Landwirtschaft von Seite der konventionellen Landwirtschaft ist ja, dass sie nicht in der Lage ist, unseren Verbrauch zu decken.
Ja, das ist einfach so. Bio kann das nicht, wenn wir genau so weiter konsumieren, wie wir es jetzt tun. Wenn wir wirklich ökologisch leben wollen, müssen wir unter anderem unseren Fleischkonsum und auch andere tierische Lebensmittel stark reduzieren. Das ist vielleicht erst einmal eine Einschränkung, aber ich finde schon, dass man sich daran gewöhnen kann. Langfristig ist es gesünder, für den Planeten und für die Menschen. Die Antwort darauf ist so komplex und schwierig, dass man dieses Argument nicht mit einem Satz widerlegen kann. Es gibt aber gute Forschungsarbeiten dazu, wie eine ökologische Landwirtschaft die Welt sehr wohl ernähren könnte. In jedem Fall müssten sich aber unsere Gewohnheiten hierfür stark ändern
Wenn man ökologisch wirtschaftet, sind oft nicht die gleichen Erntemengen wie im konventionellen Anbau gegeben. Man muss aber hinterfragen, woher die Effizienz im konventionellen Anbau denn kommt. Da sind viele Energiequellen von Außen, z.B. Futtermittel, Dünge- und Spritzmittel. Es ist kein geschlossener Kreislauf und verbraucht auch Ressourcen von anderen Ländern.
Wir nutzen z.B. zum Düngen nur unseren Mist und Leguminosen. Das sind die einzigen Pflanzen, die Stickstoff aus der Luft binden können. Vom Kreislauf her gehen bei uns auch Energien raus: Die Milch und das Fleisch. Einen Teil dieses Defizits können z.B. Leguminosen decken. Und wenn man Bio-Abfälle, also Kompost, einsetzten kann. Da ist das Problem, dass Plastikrückstände drin sind. Aber wenn man sieht, was konventionelle Bauern alles verwenden dürfen, muss man sich fragen, was schlimmer ist. Also müssen wir dafür sorgen, Verunreinigungen zu verhindern. Auch den Klärschlamm müsste man eigentlich dem Kreislauf wieder zuführen. Da wir Menschen aber leider viele Gifte aufnehmen, ist der Klärschlamm auch hoch belastet. Felix kommt dazu.
Nutzt man den Klärschlamm in der Landwirtschaft?
Felix: Im Bioanbau ist es verboten, im konventionellen Bereich wird es langsam abgebaut. Die Kläranlagen dürfen, je nach Anzahl der Einwohner, den Schlamm nicht mehr bodenbezogen verwerten sondern müssen ihn verbrennen. Man will den darin enthaltenen Phosphor zurückgewinnen und das geht am besten über die Asche. Die ist aber mit Schwermetallen belastet. Es gibt zwar schon ein Gesetz, aber noch ist nicht klar, wie das überhaupt umgesetzt werden kann. Immerhin versucht man, einen Kreislauf hinzubekommen und das ist auch ganz wichtig, aber in der Umsetzung ist es total schwierig. Weil wir soviel Antibiotika und andere Medikamente zu uns nehmen, deshalb ist im Klärschlamm so viel Mist drin.
Gwen: Um auf ökologische Landwirtschaft umstellen zu können, würde ein umfassender gesellschaftlicher Wandel mit einhergehen müssen. Es ärgert mich oft, wenn manche Leute sagen, was denn an Bio anders sei, außer man setzt keine Spritzmittel ein. Um wirklich ein System zu bekommen, das sich selber trägt, muss man wahnsinnig komplexe Probleme lösen. Wir müssen Wege suchen, wie wir die abgeführten Nährstoffe sinnvoll zurückführen können, denn sie sind ja nicht weg, nur woanders. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Der Ökolandbau ist überhaupt gar nicht rückschrittlich, es braucht noch so viele Innovationen und Ideen. Das finde ich total spannend und aufregend. Es ist so komplex, dass man es nicht jedem erklären kann, ich verstehe auch, dass nicht alle Interesse daran haben, es ist ja auch anstrengend, sich damit zu beschäftigen.
Felix: Die Biotonne wurde vom Ökolandbau in Witzenhausen erfunden, dabei ging es gar nicht um Mülltrennung, sondern um die Frage, wie man die Nährstoffe aus den Küchen wieder zurück in den Ökolandbau bringen kann. Die Plastikschnipsel sind das Problem. Da sind die Bürger gefragt und die Kommunen. Die Qualität der Bioabfälle ist heute schlechter als vor zwanzig Jahren. Es wurde einfach verschlafen, transparent weiterzugeben, was mit der Tonne passiert. Die meisten Städter werden nicht wissen, dass der Inhalt der Biotonne kompostiert wird und in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Dass da kein Plastik reindarf, ist wahrscheinlich vielen gar nicht klar. Diese neuen angeblich kompostierbaren Tüten, die sich nicht abbauen, tragen auch noch zur Verwirrung bei. Manchmal macht man es sich einfach zu bequem.
Gwen: Wir müssen noch so viel lernen und besser machen. Wir müssen alle zusammen arbeiten und nicht gegeneinander. Es gibt auch im Bioanbau riesige Unterschiede und ich mag es nicht, generell zu sagen, bio ist gut und konventionell ist schlecht. Dennoch bedeutet konventionelles Futter, es wird gespritzt. Das ist für mich schwer zu vertreten, weil es überhaupt nicht nachhaltig ist. Aber auch im Bioanbau gelingt es ja noch nicht, ein wirklich tragendes System zu entwickeln. Es macht mich traurig, dass so wenig passiert und wir nur so langsam voran kommen. In Witzenhausen werden schon interessante Forschungsprojekte betrieben. Aber wenn man vergleicht, wieviel in anderen Bereichen investiert wird, in der Gentechnik zum Beispiel, ist es viel zu wenig. Eigentlich müssten alle, Landwirte und auch Verbraucher, daran ein Interesse haben, dass wir eine Landwirtschaft bekommen, die uns ernähren kann, auch in der Zukunft. Jetzt, wo ich Kinder habe, ist mir das noch bewusster.
Ökolandbau ist für mich ein Schritt in die richtige Richtung, aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Wir können nicht stehen bleiben, weder die ökologischen noch die konventionellen Landwirte können einfach so weitermachen. Wir müssen einen Weg für die Zukunft finden. Ich will ja nichts schwarzmalen und positiv sein, aber ich glaube schon, dass sich unsere Bedingungen auch in Deutschland verändern und wir uns an verändertes Klima anpassen müssen. Das geht ja alles nicht von heute auf morgen. Ein ganzes System zu verändern, das braucht Jahre!
Der Verbrauch muss sich auch verändern, deshalb soll mein Produkt nicht für eine Elite sein, die sich das leisten kann und auch noch täglich Bio-Fleisch isst. Nein, das ist auch kein Weg. Um unseren Planeten zu schützen, müssen wir unseren Konsum verändern, in jedem Bereich, und das soll für alle möglich sein. Jeder wird verzichten müssen, das ist meine Meinung dazu. Es kann nicht sein, dass sich eine Elite ein grünes Gewissen kauft, in dem sie täglich ökologische Produkte im Überfluss auf dem Tisch hat. Das kann auch eine Biolandwirtschaft nicht leisten.
Darüber würde ich gerne mit vielen Menschen sprechen. Ich denke nicht, ich mache etwas besseres und das ist der Königsweg. Das ist erst ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist total schwer umzusetzen, das merke ich ja in meinem Betrieb. Es gibt so viele äußere Einflüsse, die ich nicht steuern kann. Das macht es nie langweilig, aber man muss sich reinfinden und damit klar kommen, dass man nicht alles unter Kontrolle hat und man sich immer wieder anpassen muss.
Hast du manchmal das Gefühl, dass du alles hinschmeißen möchtest?
Manchmal schon. Bisher ist es noch nie so schlimm gewesen, weil Felix und ich beide dafür leidenschaftlich brennen. Das ist für uns die richtige Art zu leben. Deshalb können wir da so viel Kraft reinstecken. Ohne ihn hätte ich nicht durchgehalten. Die Kinder sind noch klein, sie haben viele Freiheiten hier und sind glücklich. Wir bekommen wertvollen Zuspruch von unseren Kunden, deshalb vermarkten wir gerne direkt auf den Märkten. Das trägt einen durch schlechte Zeiten, wenn man viel zurücksteckt. Auch finanziell, wir wissen ja, dass wir uns nie so viel leisten werden können. Wir haben viele Nachteile, im Sommer können wir zum Beispiel nicht weg. Den Kindern müssen wir sagen, unser Urlaubsort ist Hilgershausen. Auch für Felix ist es manchmal schwer, er zeltet sehr gerne. Und natürlich lieber im Sommer und nicht im Januar, wenn ich mal ein oder zwei Wochen weg kann. Diese ganzen Einschränkungen sind besser auszuhalten, wenn man merkt, dass es den Kunden gut tut. Und wenn man ein gesundes Lebensmittel erzeugt auf eine Art, von der ich mir wünsche, dass sie sich verbreitet.
Ich fände es schön, wenn dein Projekt vielen aufzeigen würde, dass eine Entwicklung stattfindet. Es muss ja etwas passieren. Die konventionellen Landwirte merken auch, dass sie nicht weiterkommen bei den trockenen Jahren. Düngen und Pestizideinsatz bringt nichts, wenn Wasser fehlt. Wir in Deutschland haben noch das Glück, dass wir unsere Nahrungsmittel aus anderen Ländern herkriegen, aber ob man das als Land will? Eigentlich sollte jedes Land eine gewisse Unabhängigkeit wahren, es sollte jedem Bürger wichtig sein, dass Deutschland sich ernähren kann. Dass dem nicht so ist, das ist doch tragisch! Was ist neben Bildung wichtiger als Nahrung?