Jörg und Astrid Ledderhose

Erzählt mal, wie ihr zwei hier auf den Aussiedlerhof gekommen seid.

Jörg: Meine Eltern kommen aus dem Dorf, meine Mutter hatte einen landwirtschaftlichen Hintergrund, mein Vater nicht. Ich habe drei ältere Geschwister und als ich geboren wurde, hatten meine Eltern den Hof schon ausgesiedelt. Damals war es ein reiner Milchviehbetrieb.

Astrid: Meine Eltern sind keine Landwirte, hatten aber schon immer Pferde, Kaninchen, Schafe. Das war ihr Hobby. Ich komme auch von hier, war schon einmal verheiratet und habe einige Zeit in der Stadt gelebt. Nach der Trennung bin ich zu meinen Eltern zurückgezogen. Damals haben sie hier oben ihre Milch geholt. Das habe ich dann nach meiner Rückkehr übernommen, um ihnen zu helfen. Jörgs Mutter hat ihn immer rausgeschickt, um mir die Milch zu geben. Ich habe es ganz schlau angestellt und mir ein Braunvieh gekauft. Dann musste ich ja täglich kommen!

Du hast dir eine Kuh gekauft!?

(beide lachen)

Jörg: Sie hat sich eine Kuh in den Stall gestellt, damit sie einen Grund hatte, jeden Tag zu gucken.

Astrid: Ich dachte mir, der Bauer ist immer nur so flüchtig bei mir, den muss ich mir angeln. Wenn man nicht täglich im Stall ist, fällt es schwer, die Schwarzbunten zu erkennen und beim Namen zu nennen. Als ich mit Jörg zu einem Züchter gefahren bin, der Schwarzbunte und Schweizer Braunvieh abgeben wollte, ergab sich eine gute Gelegenheit, ein wirklich schönes Braunvieh zu kaufen. Die erkennt man in der Herde auf Anhieb. Naja, da kannten wir uns schon ein bisschen länger. Wir waren Ende Zwanzig, als wir zusammengekommen sind.

Jörg: Ich bin nicht so der Kuhmensch, aber Astrid sieht Tieren auf den ersten Blick an, wie es ihnen geht. Mit ihr hätte es mit den Milchkühen funktioniert, da bin ich mir ganz sicher. Aber der Stall war inzwischen so alt, dass er hätte grundsaniert werden müssen, wir entschieden uns für den Abriss. Wir haben dann die Kühe verkauft und einen Schweinestall errichtet.

Astrid: Jetzt helfe ich nicht mehr beim Melken, aber beim Schweinetreiben.

Jörg: Wir haben in ganz Calden keinen kuhmelkenden Betrieb mehr. Als wir die Kühe weggegeben haben dachte ich, ich würde es nie verkraften, keine frische Milch mehr am Morgen zu haben. Es liegen Welten zwischen der frischen Milch und der abgepackten.

Wieso habt ihr die Milchkühe abgeschafft und euch für die Schweinemast entschieden?

Jörg: Ich habe den Betrieb 2008 übernommen und weil es damals betriebswirtschaftlich sinnvoll war, bin ich den Schritt gegangen. Die Milchviehhaltung ist arbeits- und kostenintensiv. Wir wollten unsere Milch nicht mehr verramschen, das war nur knapp kostendeckend, wenn überhaupt. Wir haben immer mit Krediten gelebt. Irgendwann konnte man das nicht mehr.

Wir haben uns damals auch Hähnchenställe angeschaut. So ein Stall mit zwanzig- oder vierzigtausend Masthähnchen, das war und ist nichts für uns. Wenn wir angemessen hätten leben können, hätten wir auch noch die Kühe, weil das einfach tolle Tiere sind. Zu denen hat man schon ein bisschen mehr Bezug als zu den Schweinen.

Tja, warum haben wir eigentlich Schweine? Es gibt dieses Sprichwort „Haste Schweine haste Scheine“. Da haben wir gedacht, das wollen wir auch. (lacht) Arbeitswirtschaftlich ist es interessant: Die Fütterung ist automatisiert, der Spaltenboden und die Strohfütterung funktioniert, die Ferkel werden geliefert, das System passt. Kühe sind viel und schlecht bezahlte Arbeit. Mit den Schweinen haben wir zur Zeit auch eine schlechte Bezahlung, aber immerhin wenig Arbeit. Das Sprichwort stimmt also nicht mehr.

Die Arbeitsabläufe in der Schweinemast sind anders, man muss nicht zwingend zu einer bestimmten Zeit im Stall sein. Das hat mir ermöglicht, mehr Lohnarbeit für andere landwirtschaftliche Betriebe zu machen. Mit Kühen wäre klar gewesen, dass Astrid hätte zu Hause bleiben müssen.

Astrid: Mir war wichtig, dass ich arbeiten gehen konnte, obwohl ich sehr gerne im Melkstand stand. Jetzt mache ich den Stallrundgang, ein oder zwei Mal täglich, wenn Jörg zu beschäftigt ist. Ansonsten helfe ich noch beim Ausstallen. Manchmal hilft unser Sohn schon mit.

Würdet ihr heute anders entscheiden?

Jörg: Aus der jetzigen Perspektive vielleicht, aktuell ist so viel im Umbruch: Das Ansehen der Landwirte, das Umdenken vieler Verbraucher, das gesteigerte Bewusstsein, was und wie sie konsumieren. Corona hat das sicherlich beschleunigt. Von daher passt das Produkt nicht mehr hundert Prozent zu den Anforderungen. Wobei wir nach wie vor überzeugt sind, dass es die Tiere bei uns definitiv gut haben und unser Produkt sehr gut ist. Klar, die liegen nicht im Stroh oder in der Sonne. Aber grundsätzlich geht es den Tieren gut. Leider wird die Haltung so angeprangert und natürlich macht man sich auch Gedanken darüber. Wie hat sich das entwickelt, welche Probleme gibt es, was kann man verbessern?

In welcher Form reagiert ihr auf die aktuellen Diskussionen?

Jörg: Die Direktvermarktung ist durch Corona wichtiger geworden. Aber es kann ja nicht jeder machen, und es ist auch nicht jeder der Typ dafür. Im Supermarkt gibt es immer häufiger Produkte, deren Lieferketten nachvollziehbar sind. Das „gute“ Biofleisch liegt neben unserem, wir wechseln nun im Rahmen der offiziellen Initiative Tierwohl von Haltungsform 1, also konventioneller Stallhaltung, in die Kategorie 2. Was das Platzangebot angeht, entsprechen wir schon dieser Kategorie. Mehr Licht haben die Tiere auch, wir haben neue Fenster eingebaut. Die Tiere bekommen regelmäßig Stroh und haben ständig ausreichend organisches Beschäftigungsmaterial. Der Unterschied ist die Mastphase, um die hundert Tage im Leben des Schweines, bei der sie auf Stroh stehen.

Lohnt sich eine Investition in die höhere Tierwohlkategorie für euch auch finanziell?

Jörg: Ich bin der Meinung, dass die zusätzliche Vergütung für die Mehrkosten relativ schlecht ist. Es geht nicht nur um die Kosten für den Platz, das Licht, das Beschäftigungsmaterial, sondern vor allem um die ganzen von uns zu zahlenden Kontrollen. Man hat manchmal das Gefühl, wir werden gerade so am Leben erhalten. Ich glaube aber, dass die Vorgaben zur Tierhaltung über kurz oder lang verpflichtend werden.

Wie viel ist das, fünf Cent?

Jörg: Ja, das kommt ungefähr hin. Im Moment bekommen wir fünf Euro achtunddreißig raus für’s ganze Schwein, dann bekommen wir fünf, sechs Cent mehr pro Kilo.

Um ehrlich zu sein fand ich es furchtbar, an einer Schweinemastanlage vorbeizulaufen. Weil man nie sieht, wie es drin ist und nur schreckliche Bilder im Kopf hat. Das war auch ein Grund, weshalb ich die Bauernkünste angefangen habe.

Jörg: Wir haben den Stall damals so gebaut, weil er genauso von der Politik gewollt und gefördert wurde. Die Massen wollten das Schwein. Als das mit dem Tierwohl anfing habe ich gleich gesagt, dass wir was in die Richtung machen sollten. Aber der Berater wollte da nicht so ran, es ist nicht unproblematisch, das System umzustellen.

Astrid: Unser Stall ist ja jetzt mit Gülle, wenn das Stroh durch die Spalten fällt, dann verstopfen die Rohre. Jörg hat die ganze Arbeit damit, nicht ich, die sagt, dass ich es mit Stroh schöner fände. Wir haben aber auch ohne Tierwohlauflagen Stroh in den Raufen. Das bekommen wir zwar nicht vergütet, aber es macht Freude zu sehen, wenn die Schweine daran Spaß haben.

Jörg: Ich mechanisiere das jetzt, habe eine Anlage für den Stall gekauft, die das Stroh von der Decke rieseln lässt. Ich glaube, unser Sohn würde sich mit den Schweineställen mehr anfreunden, wenn sie auf Stroh ständen. Aber es macht wesentlich mehr Arbeit, wir machen uns im Moment lange nicht so kaputt wie früher. Am Ende des Tages müssen wir ja etwas verdienen.

Du musst also beim Futter nicht viel umstellen?

Jörg: Das Futter ist ziemlich gleich. Eigenes Getreide, Bohnen, Erbsen. Wir füttern mittlerweile einen relativ geringen Teil an Sojabohnen aus Übersee. Das kommt daher, dass die Landwirte mit finanziellen Anreizen des Staates zu bestimmten Entscheidungen gebracht werden. Die sagen nun, damit ihr weniger Pflanzenschutz aufbringen müsst, bringt doch mehr Leguminosen in eure Fruchtfolge. Also Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen. Das sind Pflanzen, die ihren Stickstoff selber produzieren, sie brauchen keinerlei Dünger. Die Knöllchenbakterien verwandeln den in der Luft verfügbaren Stickstoff in für sie brauchbare Energie um. Für die Schweine brauche ich Stärke, Eiweiß, Mineralstoffe und so weiter, um sie zu mästen und auch um die geforderte Fleischqualität zu erhalten. Die Eiweiße baue ich jetzt selber an, also brauche ich weniger Soja. Das entlastet schon, wenn man weniger einkaufen muss, es beruhigt, wenn man sein eigenes Futter hat.

Wieso hat man das vorher nicht gemacht?

Jörg: Es war einfacher, SojaschrotStatistiken findet man zum Beispiel auf der Seite von TransGen , über den Sojaanbau in Deutschland gibt es beim Sojaförderring weitere Informationen. (Abgerufen im März 2022) einzukaufen. Außerdem war er sehr günstig. Früher haben wir zwanzig Euro für den Doppelzentner bezahlt, heute fünfundvierzig bis fünfzig. Der ein oder andere macht es bestimmt auch aus Überzeugung oder für das gute Gewissen, dazu gehöre ich auch, um ehrlich zu sein. Ich bin froh, dass ich an dem Programm teilnehme. Es verpflichtet zu einer fünfgliedrigen Fruchtfolge. Das hatte ich zwar schon früher, aber mit anderen Sorten. Ich muss jetzt tatsächlich weniger Pflanzenschutz aufbringen, obwohl die tierischen Schädlinge natürlich genauso da sind, und auch andere Krankheiten. Ich brauche die Ernte für die Schweine, also muss sie gesund sein. Sie darf weder von Pilzbakterien befallen sein, noch zerlöchert von Läusen oder so. Im konventionellen Bereich können wir da handeln. Ich liege bei meinem Aufsatz für den Pflanzenschutz auf einem ganz guten Niveau.

Besprichst du das mit jemand, wieviel Pflanzenschutz du einsetzt?

Jörg: Im Frühjahr ist das unter uns Kollegen natürlich Thema. Wir tauschen uns darüber aus, wer welche Probleme hat, es tritt ja nicht bei allen das Gleiche auf. Manche handeln nach Empfehlungen, das gibt es leider auch: Dicke Palette drauf, weil die Jahreszeit ist. Das sind Leute die sagen, das haben wir schon immer so gemacht. Ich und viele Kollegen schauen genau, was nötig ist. Wenn die Pflanze nicht krank ist, wird natürlich nichts gespritzt. Ich will ja nicht unnötig etwas Belastendes aufbringen.

Also, konventionellen Schweinemästern ist die Umwelt und das Tierwohl nicht prinzipiell egal?

Jörg: Über Bio-Landwirtschaft denkt man, die halten nur eine Handvoll Schweine wie in einem Kinder-Bilderbuch. Das ist aber nicht so. Ab wann beginnt die Massentierhaltung? Wie viele Tiere dürfen in einem Stall leben? Und wie viel Platz brauchen sie? 0,75 Quadratmeter pro ausgewachsenem Schwein ist die gesetzliche Mindestgröße, wir haben einen Quadratmeter, darunter ist für uns auch nicht tragbar.

Ich kenne Biobetriebe, bei denen geht es den Tieren mit Sicherheit nicht besser, als vielen im konventionellen Bereich. Bio ist nicht per se mit Tierwohl gleichzusetzen. Es gibt Ställe, in denen gibt es mehr Probleme mit dem Schwanzbeißen als bei uns. Wie es den Tieren ergeht, da bin ich schon überzeugt, dass wir einen guten Job machen.

Wir können niemals alle benötigten Lebensmittel in Deutschland in Bio produzieren, dazu reicht nicht einmal die Fläche. Wenn wir alles umstellen, wird noch mehr aus dem Ausland kommen. Es ist politisch gewollt, dass es günstige Lebensmittel gibt und da gehört unser Produkt leider dazu. Günstig, aber definitiv nicht schlecht. Wenn wir wüssten, wo die Reise hingeht!

Der Betriebsberater sagt, im Moment rechnen sich Bio-Hähnchen, Bio-Legehennen oder konventionelle Legehennen. Die Eierversorgung in Deutschland ist bei unter 70%. Milch auf gar keinen Fall, keiner fängt mit Milch an, Sauen nicht und konventionelle Mast auch nicht. Wir haben aber den Stall da, er ist fast abgezahlt, dann werden wir eine andere Kostensituation haben.

Heute habt ihr Schweine getrieben, wie viele sind das denn in der Woche und wie läuft das ab?

Jörg: Ich zeichne und wiege. Heute waren es nur vierzig, manchmal hundert oder hundertzwanzig. Ab hundert wird es schon anstrengend. Wenn hundertzwanzig Kilo rückwärts gehen, dann gehen die rückwärts. Letztes Jahr wegen Corona mussten wir direkt an einen Metzger verkaufen, weil wir sie länger mästen mussten, da hatten sie zweihundert Kilo. Bei Schweinen geht keine Hektik, kein Schreien, kein Schlagen, nur Ruhe und Taktik.

Weißt du eigentlich, wo eure Schweine am Ende verkauft und verzehrt werden?

Jörg: Ja, zum Teil. In Osnabrück gibt es eine Erzeugergemeinschaft die am Tag 2.500 Schweine schlachten und dort in der Region verkaufen. Manche gehen unter Eigenmarken in die großen Märkte.

Die Politik gibt euch die Rahmenbedingungen für eure Arbeit vor. Viele Leute befürworten eine ökologischere Ausrichtung der Landwirtschaft. Wieso sehen viele Landwirte die politischen Entscheidungen sehr kritisch?

Es ärgert uns, dass mit wenig Fachwissen gearbeitet wird. Es wird von oben gewollt, das Insektenschutzprogramm oder die Düngeverordnung oder so durchzusetzen. Die Inhalte sind aber fernab von unserem täglichen Tun, haben nichts mit der Realität zu und vor allem erreichen die Maßnahmen nicht die anvisierten Ziele. Wir Landwirte können nichts daran ändern, müssen aber täglich damit arbeiten.

Raps anzubauen wird zum Beispiel immer schwieriger, die Schädlinge werden mehr und die Möglichkeiten zur Bekämpfung eingeschränkt. Die Samen dürfen nicht mehr mit Glyphosat gebeizt werden, das hat den Befall mit dem Rapserdfloh bisher vermindert und war sehr effektiv. Man brauchte dafür im späteren Stadium nur wenig Pflanzenschutz einsetzten, das ist jetzt nicht mehr so. Der Preis für den Raps ist in den letzten Wochen explodiert, er hat sich verdoppelt! Ich bin froh, dass ich welchen angebaut habe. Gleiches gilt für den Mais. Ich habe dieses Jahr acht verschiedene Früchte angebaut, das hätte es früher nie gegeben.

Du hast eben ein Reizwort angesprochen, über das gefühlt alle Expertenwissen haben.

Glyphosat ist das Synonym für alles Böse. Grundsätzlich bin ich dafür, dass Glyphosat nur begrenzt, oder sogar nur mit Sondergenehmigung eingesetzt werden darf. Aber dass man es eben nutzen kann, wenn es sinnvoll ist.

Wir versuchen immer eine Gratwanderung, gerade im Ackerbau: Wir wollen, dass kein Nitrat ausgewaschen wird. Deshalb ist es wichtig, so viel wie möglich zu begrünen. Wir brauchen Humusaufbau, um Wasser halten zu können, Mikroorganismen zu fördern und dadurch die Nährstoffe zu halten. Entweder passiv über Mist und Kompost. Oder aktiv durch die Aussaat von Zwischenfrüchten. Zweiteres funktioniert aber nur, wenn es regnet. Wenn ich die Beikräuter mechanisch entferne, geht mir unglaublich viel Wasser verloren und damit sickert auch das Nitrat ins Grundwasser. Wenn ich den Boden dadurch auslauge und austrockne, liegen die Samen in den tendenziell trockeneren Frühlingen da und es passiert nichts. Deshalb ist es unter bestimmten Umständen sinnvoll, sie chemisch zu beseitigen.

Gibt es eine Alternative zu Glyphosat?

Nur mechanisch. Biobetriebe machen es ja so. Aber damit schont man kein Bodenleben wie Bodenbrüter oder kleine Hasen. Eine Kombination aus bio und konventionell ist toll, aber wenn so eine Rollhacke mit zwanzig Stundenkilometern darüber fährt, sind die Tiere zerhackt.

Du wägst bei deinen Entscheidungen also ab zwischen Ertrag und Naturschutz?

Wir schützen die Kulturpflanze, aber Naturschutz ist selbstverständlich auch relevant. Zum Beispiel werden regelmäßig die Böden beprobt um zu wissen, wieviel Stickstoff darin ist. Gestern erst habe ich die Ergebnisse durchgegeben bekommen, mit dem Ergebnis, dass meine Pflanzen zur Zeit ausreichend mit Stickstoff versorgt sind, also brauche ich nicht nachdüngen. Früher hätte man in diesem Stadium des Wachstums definitiv gestreut. Wir ernten heute besser als früher und ich denke auch wesentlich nachhaltiger.

Wirst du manchmal von den Leuten angesprochen, wenn du auf dem Feld fährst?

Nein, das passiert eher weniger. Manchmal ignorieren sie mich und fahren nicht an die Seite, oder zeigen mir einen Vogel. Dann halte ich aber an und suche das Gespräch. Oftmals ist es so, dass herauskommt, dass die Leute viele Dinge gar nicht wissen. Aber wenn man ins Gespräch kommt und sie verstehen, wieso man zu diesem Zeitpunkt Pflanzenschutz betreibt, sehen es manche sogar ein.

Es ist schwer, die Verbraucher zu informieren. So etwas wie wir heute machen, dass du in den Stall gehst, dir das anschaust, wir miteinander sprechen, das passiert ja sonst nicht. Die Leute sehen, wenn ich mit dem Güllefass fahre oder mal spritze, oder wenn es mal stinkt und staubt, wenn es laut ist. Das Negative, das bleibt sitzen.

Wieviel Hektar baust du an und werden davon die Schweine satt?

Gut hundertzehn. Durch die vielgliedrige Fruchtfolge ist es so, dass ich einiges verkaufe, den Raps zum Beispiel, den fressen die Schweine nicht. Anderes reicht nicht, die Gerste kaufe ich im Nachbarort zu. Die Bohnen werden verfüttert, den Weizen verkaufe ich komplett.

Ich könnte überlegen, alle Erträge zu verkaufen und den Stall leer stehen zu lassen. Die Abzahlungen müsste ich weiter leisten, das Risiko wäre dafür kleiner. Aber es gibt beim Getreide ja auch Preisschwankungen, es könnte passieren, dass der Preis für Getreide in den Keller geht und die Schweinepreise steigen. Und dann muss man noch den richtigen Moment finden, um wieder aufzustallen. Dann bekommt man keine Ferkel mehr. Wenn ich heute dem Ferkelerzeuger sage, ich nehme keine mehr, hat er keine Probleme, sie loszuwerden. Die Ferkel sind so knapp, sie werden immer teurer.

Was bedeutet es eigentlich, Lohnunternehmer zu sein?

Ich bin selbständig und biete Dienstleistungen an wie Gülle fahren. Ich muss natürlich auch dementsprechend die Maschinen dahaben und mal eine austauschen. Ich habe unter anderem einen Ladewagen, einen Häckselwagen, seit letztem Jahr einen Steinesammler. Hauptsächlich biete ich die Dienstleistung komplett an. Früher bin ich tags und nachts gefahren, das ist nicht mehr so einfach, weil ich meinen Betrieb komplett alleine mache, außer der Hilfe von Astrid im Stall.

Jetzt gerade wollen alle Melkbetriebe gleichzeitig Grassilage machen, das ist schwierig. Ich arbeite mit einem jungen Kollegen zusammen, da kann man sich gegenseitig aushelfen. Dadurch habe ich weniger Risiko und die Maschinen sind gut ausgelastet. Der ist mittlerweile zum Freund geworden.

Du bist also ziemlich breit aufgestellt?

Eigentlich schon. Durch das Lohnunternehmen, Photovoltaik auf dem Dach, die Schweine, den Anbau. Aber ich bin momentan Einzelkämpfer. Mein Vater ist jetzt 77, der Bengel ist dreizehn, ich bin genau dazwischen. Wenn der Junge achtzehn ist muss man entscheiden: Macht er weiter? Ich fände das schon toll. Mein Sohn ist stolz drauf, aus der Landwirtschaft zu kommen, aber es ist ein hoher Druck.

Wie sieht die Zukunftsplanung aus?

Es wäre schon ganz gut, wenn wir gemeinsam was entwickeln könnten. Wenn er sich dagegen entscheidet, würden wir alles Schritt für Schritt runterfahren. Wir kämen bis in die Rente finanziell, aber ich bin eigentlich vom Typ her so, dass ich nochmal investieren würde. Nur in was und welche Richtung? Und wie sicher ist das für die Zukunft? Viele sagen, dass es keinen Sinn mehr macht, in Deutschland in die Tierhaltung zu investieren. Es werden einem zu viele Knüppel zwischen die Beine geworfen. Wenn wir noch Milchvieh hätten, wären wir sicherlich in Richtung bio gegangen, wir haben genug Wiesen drumherum und unsere Kühe waren schon früher immer draußen. Da hätten wir eher den Schritt gemacht. Aber unser Stall lässt sich so leicht nicht umbauen.

Habt ihr denn genug Fläche für eine sichere Zukunft?

Es steht immer weniger Fläche zur Verfügung, die Preise gehen hoch und es kommt vor, dass man in einen Bieterwettstreit mit Kollegen gerät. Viele Nicht-Landwirte sehen ihr Heil im Ackerboden, als Geldanlage. Es ist schon ein kostbares Gut, der Boden, und es tut weh, ihn zu verlieren.

Es wird uns Landwirten ja vorgeworfen, wir seien so profitgierig, würden immer größer, hätten mehr Tierbestand und so, aber das wollen wir ja gar nicht. Die Kosten gehen in die Höhe, so dass wir dazu gezwungen sind. Man will sich auch nicht ausruhen. Letzten Winter habe ich eine Halle gebaut, da stehen jetzt die Maschinen drin. Vor ein paar Wochen habe ich mich dazu entschieden, die Strohfütterung in den Stall einzubauen, also muss ich Stroh lagern. Der Bau der Halle war aus heutiger Perspektive also die richtige Entscheidung.

[Astrid hat in der Zwischenzeit eine Weide vor der Terrasse gesteckt und bringt ein Pony und ein Pferd. Der Kaninchenauslauf steht auch auf der Wiese.] Ihr habt ja wirklich viele Tiere hier.

Jörg: Die Pferde sind ein Hobby. Der Große hat ein Problem im Rücken, der sollte zum Metzger, jetzt ist er hier. Ich habe extra einen Reitplatz gebaut. Wir haben uns irgendwie einen Kleintierzoo aufgebaut. Junge Katzen kommen bald, wir haben Kaninchen, Hunde, Hühner, ich finde das toll. Es ist mir sehr wichtig, dass meine Frau und unsere Kinder sich hier wohlfühlen. Egal ob an den Wochenenden, den Feiertagen, wir sind hier. Es ist schön hier, so außerhalb.

Die einzigen Nachbarn sind deine Eltern?

Jörg: Ja, das Haus für meine Eltern war unsere erste Baumaßnahme, als Astrid herzog. Sonst hätte das nicht funktioniert. Ich habe ja keinen Nachhauseweg von der Arbeit: Ich komme rein und bringe alles mit. Den Ärger, den ich draußen habe, habe ich auch am Küchentisch. Das ist schon eine Belastung für die Familie. Wenn etwas nicht funktioniert, wegen dem Wetter, der Politik oder sonst was. Wenn man dann noch den Elternteil mit dabei hat, macht es das noch komplizierter.

Wie sieht es denn mit eurer Freizeit aus, habt ihr einen Ausgleich?

Astrid: Ich illustriere gerne Geschichten und schreibe ein wenig, das ist ein Kindheitstraum. Ich fahre gerne im Sommer mal an die Ostsee oder Nordsee.

Jörg: Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und manchmal macht Astrid sich darüber lustig, aber ich würde niemals tauschen wollen! Das ist schon ein Streitthema zwischen uns, die Urlaubsplanung. Ich nehme mir inzwischen häufiger Zeit, damit wir auch mal was zusammen machen können. Früher habe ich nur gearbeitet. Außerdem bin ich in der Gemeinde aktiv, im Ortsbeirat, der freiwilligen Feuerwehr, dem Maschinenring. Man muss sich auch mal Freiheiten gönnen, zwischendurch mal an was anderes denken. Deshalb habe ich mir jetzt endlich ein Hobby gegönnt.

Astrid: Es war eigentlich meine Idee, dass er sich ein Hobby sucht. Das läuft natürlich manchmal in eine andere Richtung, als man es sich als Frau so vorstellt (lacht). Ich bin ja froh, dass er was gefunden hat, wo er drin aufgeht.

Jörg: Mir liegt das Schrauben und die Technik generell im Blut, jetzt gehen Beruf und Hobby eben ineinander über.

Was hast du dir denn angeschafft?

Jörg: Einen großen alten Schlepper. Früher bin ich noch Motorrad gefahren. Aber ich bin viele Jahre keine längeren Strecken mehr gefahren.

Gibt es etwas, was dich zur Zeit besonders bewegt?

Jörg: Stillstand macht mich unruhig, ich brauche immer etwas Praktisches zu tun. Was mich erdet ist meine Familie, ganz klar. Wenn ich rein gehe und meine Frau fröhlich ist, bin ich es auch. Ich bin stolz darauf, wie ich den Betrieb entwickelt habe. Siebzig Prozent der Gebäude sind von mir neu gebaut oder renoviert.

Es ist mir schon sehr wichtig, das gut weiter geben zu können. Wobei ich ja noch nicht weiß, ob unser Sohn das überhaupt möchte. Wahrscheinlich trägt diese Unsicherheit auch zu meiner Unruhe bei. Aber es ist schon alles genau richtig, wie es ist. Ich mache jetzt erstmal ein paar Kleinigkeiten, wir lassen das auf uns zukommen. Vielleicht gehen wir deshalb den Schritt mit dem Stroh. Mal sehen, wie sich das alles entwickelt.