Die Politik gibt euch die Rahmenbedingungen für eure Arbeit vor. Viele Leute befürworten eine ökologischere Ausrichtung der Landwirtschaft. Wieso sehen viele Landwirte die politischen Entscheidungen sehr kritisch?
Es ärgert uns, dass mit wenig Fachwissen gearbeitet wird. Es wird von oben gewollt, das Insektenschutzprogramm oder die Düngeverordnung oder so durchzusetzen. Die Inhalte sind aber fernab von unserem täglichen Tun, haben nichts mit der Realität zu und vor allem erreichen die Maßnahmen nicht die anvisierten Ziele. Wir Landwirte können nichts daran ändern, müssen aber täglich damit arbeiten.
Raps anzubauen wird zum Beispiel immer schwieriger, die Schädlinge werden mehr und die Möglichkeiten zur Bekämpfung eingeschränkt. Die Samen dürfen nicht mehr mit Glyphosat gebeizt werden, das hat den Befall mit dem Rapserdfloh bisher vermindert und war sehr effektiv. Man brauchte dafür im späteren Stadium nur wenig Pflanzenschutz einsetzten, das ist jetzt nicht mehr so. Der Preis für den Raps ist in den letzten Wochen explodiert, er hat sich verdoppelt! Ich bin froh, dass ich welchen angebaut habe. Gleiches gilt für den Mais. Ich habe dieses Jahr acht verschiedene Früchte angebaut, das hätte es früher nie gegeben.
Du hast eben ein Reizwort angesprochen, über das gefühlt alle Expertenwissen haben.
Glyphosat ist das Synonym für alles Böse. Grundsätzlich bin ich dafür, dass Glyphosat nur begrenzt, oder sogar nur mit Sondergenehmigung eingesetzt werden darf. Aber dass man es eben nutzen kann, wenn es sinnvoll ist.
Wir versuchen immer eine Gratwanderung, gerade im Ackerbau: Wir wollen, dass kein Nitrat ausgewaschen wird. Deshalb ist es wichtig, so viel wie möglich zu begrünen. Wir brauchen Humusaufbau, um Wasser halten zu können, Mikroorganismen zu fördern und dadurch die Nährstoffe zu halten. Entweder passiv über Mist und Kompost. Oder aktiv durch die Aussaat von Zwischenfrüchten. Zweiteres funktioniert aber nur, wenn es regnet. Wenn ich die Beikräuter mechanisch entferne, geht mir unglaublich viel Wasser verloren und damit sickert auch das Nitrat ins Grundwasser. Wenn ich den Boden dadurch auslauge und austrockne, liegen die Samen in den tendenziell trockeneren Frühlingen da und es passiert nichts. Deshalb ist es unter bestimmten Umständen sinnvoll, sie chemisch zu beseitigen.
Gibt es eine Alternative zu Glyphosat?
Nur mechanisch. Biobetriebe machen es ja so. Aber damit schont man kein Bodenleben wie Bodenbrüter oder kleine Hasen. Eine Kombination aus bio und konventionell ist toll, aber wenn so eine Rollhacke mit zwanzig Stundenkilometern darüber fährt, sind die Tiere zerhackt.
Du wägst bei deinen Entscheidungen also ab zwischen Ertrag und Naturschutz?
Wir schützen die Kulturpflanze, aber Naturschutz ist selbstverständlich auch relevant. Zum Beispiel werden regelmäßig die Böden beprobt um zu wissen, wieviel Stickstoff darin ist. Gestern erst habe ich die Ergebnisse durchgegeben bekommen, mit dem Ergebnis, dass meine Pflanzen zur Zeit ausreichend mit Stickstoff versorgt sind, also brauche ich nicht nachdüngen. Früher hätte man in diesem Stadium des Wachstums definitiv gestreut. Wir ernten heute besser als früher und ich denke auch wesentlich nachhaltiger.
Wirst du manchmal von den Leuten angesprochen, wenn du auf dem Feld fährst?
Nein, das passiert eher weniger. Manchmal ignorieren sie mich und fahren nicht an die Seite, oder zeigen mir einen Vogel. Dann halte ich aber an und suche das Gespräch. Oftmals ist es so, dass herauskommt, dass die Leute viele Dinge gar nicht wissen. Aber wenn man ins Gespräch kommt und sie verstehen, wieso man zu diesem Zeitpunkt Pflanzenschutz betreibt, sehen es manche sogar ein.
Es ist schwer, die Verbraucher zu informieren. So etwas wie wir heute machen, dass du in den Stall gehst, dir das anschaust, wir miteinander sprechen, das passiert ja sonst nicht. Die Leute sehen, wenn ich mit dem Güllefass fahre oder mal spritze, oder wenn es mal stinkt und staubt, wenn es laut ist. Das Negative, das bleibt sitzen.
Wieviel Hektar baust du an und werden davon die Schweine satt?
Gut hundertzehn. Durch die vielgliedrige Fruchtfolge ist es so, dass ich einiges verkaufe, den Raps zum Beispiel, den fressen die Schweine nicht. Anderes reicht nicht, die Gerste kaufe ich im Nachbarort zu. Die Bohnen werden verfüttert, den Weizen verkaufe ich komplett.
Ich könnte überlegen, alle Erträge zu verkaufen und den Stall leer stehen zu lassen. Die Abzahlungen müsste ich weiter leisten, das Risiko wäre dafür kleiner. Aber es gibt beim Getreide ja auch Preisschwankungen, es könnte passieren, dass der Preis für Getreide in den Keller geht und die Schweinepreise steigen. Und dann muss man noch den richtigen Moment finden, um wieder aufzustallen. Dann bekommt man keine Ferkel mehr. Wenn ich heute dem Ferkelerzeuger sage, ich nehme keine mehr, hat er keine Probleme, sie loszuwerden. Die Ferkel sind so knapp, sie werden immer teurer.
Was bedeutet es eigentlich, Lohnunternehmer zu sein?
Ich bin selbständig und biete Dienstleistungen an wie Gülle fahren. Ich muss natürlich auch dementsprechend die Maschinen dahaben und mal eine austauschen. Ich habe unter anderem einen Ladewagen, einen Häckselwagen, seit letztem Jahr einen Steinesammler. Hauptsächlich biete ich die Dienstleistung komplett an. Früher bin ich tags und nachts gefahren, das ist nicht mehr so einfach, weil ich meinen Betrieb komplett alleine mache, außer der Hilfe von Astrid im Stall.
Jetzt gerade wollen alle Melkbetriebe gleichzeitig Grassilage machen, das ist schwierig. Ich arbeite mit einem jungen Kollegen zusammen, da kann man sich gegenseitig aushelfen. Dadurch habe ich weniger Risiko und die Maschinen sind gut ausgelastet. Der ist mittlerweile zum Freund geworden.
Du bist also ziemlich breit aufgestellt?
Eigentlich schon. Durch das Lohnunternehmen, Photovoltaik auf dem Dach, die Schweine, den Anbau. Aber ich bin momentan Einzelkämpfer. Mein Vater ist jetzt 77, der Bengel ist dreizehn, ich bin genau dazwischen. Wenn der Junge achtzehn ist muss man entscheiden: Macht er weiter? Ich fände das schon toll. Mein Sohn ist stolz drauf, aus der Landwirtschaft zu kommen, aber es ist ein hoher Druck.
Wie sieht die Zukunftsplanung aus?
Es wäre schon ganz gut, wenn wir gemeinsam was entwickeln könnten. Wenn er sich dagegen entscheidet, würden wir alles Schritt für Schritt runterfahren. Wir kämen bis in die Rente finanziell, aber ich bin eigentlich vom Typ her so, dass ich nochmal investieren würde. Nur in was und welche Richtung? Und wie sicher ist das für die Zukunft? Viele sagen, dass es keinen Sinn mehr macht, in Deutschland in die Tierhaltung zu investieren. Es werden einem zu viele Knüppel zwischen die Beine geworfen. Wenn wir noch Milchvieh hätten, wären wir sicherlich in Richtung bio gegangen, wir haben genug Wiesen drumherum und unsere Kühe waren schon früher immer draußen. Da hätten wir eher den Schritt gemacht. Aber unser Stall lässt sich so leicht nicht umbauen.
Habt ihr denn genug Fläche für eine sichere Zukunft?
Es steht immer weniger Fläche zur Verfügung, die Preise gehen hoch und es kommt vor, dass man in einen Bieterwettstreit mit Kollegen gerät. Viele Nicht-Landwirte sehen ihr Heil im Ackerboden, als Geldanlage. Es ist schon ein kostbares Gut, der Boden, und es tut weh, ihn zu verlieren.
Es wird uns Landwirten ja vorgeworfen, wir seien so profitgierig, würden immer größer, hätten mehr Tierbestand und so, aber das wollen wir ja gar nicht. Die Kosten gehen in die Höhe, so dass wir dazu gezwungen sind. Man will sich auch nicht ausruhen. Letzten Winter habe ich eine Halle gebaut, da stehen jetzt die Maschinen drin. Vor ein paar Wochen habe ich mich dazu entschieden, die Strohfütterung in den Stall einzubauen, also muss ich Stroh lagern. Der Bau der Halle war aus heutiger Perspektive also die richtige Entscheidung.
[Astrid hat in der Zwischenzeit eine Weide vor der Terrasse gesteckt und bringt ein Pony und ein Pferd. Der Kaninchenauslauf steht auch auf der Wiese.] Ihr habt ja wirklich viele Tiere hier.
Jörg: Die Pferde sind ein Hobby. Der Große hat ein Problem im Rücken, der sollte zum Metzger, jetzt ist er hier. Ich habe extra einen Reitplatz gebaut. Wir haben uns irgendwie einen Kleintierzoo aufgebaut. Junge Katzen kommen bald, wir haben Kaninchen, Hunde, Hühner, ich finde das toll. Es ist mir sehr wichtig, dass meine Frau und unsere Kinder sich hier wohlfühlen. Egal ob an den Wochenenden, den Feiertagen, wir sind hier. Es ist schön hier, so außerhalb.
Die einzigen Nachbarn sind deine Eltern?
Jörg: Ja, das Haus für meine Eltern war unsere erste Baumaßnahme, als Astrid herzog. Sonst hätte das nicht funktioniert. Ich habe ja keinen Nachhauseweg von der Arbeit: Ich komme rein und bringe alles mit. Den Ärger, den ich draußen habe, habe ich auch am Küchentisch. Das ist schon eine Belastung für die Familie. Wenn etwas nicht funktioniert, wegen dem Wetter, der Politik oder sonst was. Wenn man dann noch den Elternteil mit dabei hat, macht es das noch komplizierter.
Wie sieht es denn mit eurer Freizeit aus, habt ihr einen Ausgleich?
Astrid: Ich illustriere gerne Geschichten und schreibe ein wenig, das ist ein Kindheitstraum. Ich fahre gerne im Sommer mal an die Ostsee oder Nordsee.
Jörg: Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und manchmal macht Astrid sich darüber lustig, aber ich würde niemals tauschen wollen! Das ist schon ein Streitthema zwischen uns, die Urlaubsplanung. Ich nehme mir inzwischen häufiger Zeit, damit wir auch mal was zusammen machen können. Früher habe ich nur gearbeitet. Außerdem bin ich in der Gemeinde aktiv, im Ortsbeirat, der freiwilligen Feuerwehr, dem Maschinenring. Man muss sich auch mal Freiheiten gönnen, zwischendurch mal an was anderes denken. Deshalb habe ich mir jetzt endlich ein Hobby gegönnt.
Astrid: Es war eigentlich meine Idee, dass er sich ein Hobby sucht. Das läuft natürlich manchmal in eine andere Richtung, als man es sich als Frau so vorstellt (lacht). Ich bin ja froh, dass er was gefunden hat, wo er drin aufgeht.
Jörg: Mir liegt das Schrauben und die Technik generell im Blut, jetzt gehen Beruf und Hobby eben ineinander über.
Was hast du dir denn angeschafft?
Jörg: Einen großen alten Schlepper. Früher bin ich noch Motorrad gefahren. Aber ich bin viele Jahre keine längeren Strecken mehr gefahren.
Gibt es etwas, was dich zur Zeit besonders bewegt?
Jörg: Stillstand macht mich unruhig, ich brauche immer etwas Praktisches zu tun. Was mich erdet ist meine Familie, ganz klar. Wenn ich rein gehe und meine Frau fröhlich ist, bin ich es auch. Ich bin stolz darauf, wie ich den Betrieb entwickelt habe. Siebzig Prozent der Gebäude sind von mir neu gebaut oder renoviert.
Es ist mir schon sehr wichtig, das gut weiter geben zu können. Wobei ich ja noch nicht weiß, ob unser Sohn das überhaupt möchte. Wahrscheinlich trägt diese Unsicherheit auch zu meiner Unruhe bei. Aber es ist schon alles genau richtig, wie es ist. Ich mache jetzt erstmal ein paar Kleinigkeiten, wir lassen das auf uns zukommen. Vielleicht gehen wir deshalb den Schritt mit dem Stroh. Mal sehen, wie sich das alles entwickelt.