Andreas Kröschel

Es wäre mein Traum, den Hof zum Vollerwerbshof auszubauen.

Wir haben uns das erste Mal bei einer Protestaktion getroffen, bei der du mit anderen Landwirten für bessere Preise für eure Erzeugnisse geworben hast. Wie kommt es, dass du dich politisch engagierst?

Mir ist politisches Engagement wichtig, weil ich den Betrieb meiner Eltern übernehmen und davon leben will. Mir ist aber bewusst, dass er unter den aktuellen Bedingungen nicht wirtschaftlich geführt werden kann. Um das zu erreichen, müsste der Betrieb entweder extrem wachsen oder die politischen Rahmenbedingungen müssten es ermöglichen, dass Bauernfamilien wieder traditionelle Landwirtschaft betreiben können.

Noch bin ich optimistisch, dass wir etwas bewegen können! Wir haben uns im Verein „Land schafft Verbindung“ organisiert. Die LSV klagt zum Beispiel gegen die Düngemittelverordnung und das Insektenschutzprogramm. Das hört sich erstmal so an, als ob uns der Umwelt- und Insektenschutz egal wäre, das ist er uns natürlich nicht!

Nur werden ständig Auflagen von Leuten beschlossen, die anscheinend keine Ahnung haben und zum Beispiel denken, Bienen würden Weizen bestäuben. Was gar nicht so ist: Der Weizen hat keine Blüte, also interessiert sich keine Biene für ihn. Durch die neue Verordnung werden unsere Erträge extrem sinken, gleichzeitig wird der Aufwand höher. Auch der Erlös ist die letzten zehn, fünfzehn Jahre nicht mehr gestiegen. Das funktioniert nicht mehr. Also Insektenschutz, ja, klar ist der uns wichtig! Wir legen ja auch Blühstreifen an oder ähnliches. Aber uns wird dieser Schuh angezogen, dass wir Insekten töten. Dabei tötet jeder täglich Insekten, zum Beispiel an der Windschutzscheibe. Die Licht- und Luftverschmutzung, Windräder, Steingärten, das Klima, alles spielt eine Rolle. Aber wir Landwirte sind diejenigen, die es ausbaden sollen! Wenn ich abends in die öffentlichen Medien schaue, dann fühle ich mich wie der schwarze Peter.

Erzähl mir mal von eurem Hof!

Mein Ur-Opa hat ihn 1935 gekauft. Seine Familie und später auch die meines Opas hat davon gelebt. Mein Vater hat ihn im Jahr 2000 übernommen. Aber der hatte schon eine Ausbildung gemacht und ist arbeiten gegangen. Den Hof hat er mit Opa bewirtschaftet, leben konnte die Familie davon nicht mehr. Ich bin seit fünf Jahren mit der Ausbildung fertig. Ich habe Landwirt gelernt, ein Jahr gearbeitet und dann noch meinen Agrarbetriebswirt gemacht. Jetzt arbeite ich bei einem großen landwirtschaftlichen Betrieb.

Haben deine Eltern deine berufliche Entscheidung unterstützt?

Meine Eltern haben gesagt, ich soll etwas anderes lernen, aber ich wollte schon immer den Hof übernehmen und dabei bleibe ich. Sie haben meine Entscheidung dann akzeptiert und mich unterstützt.

Wir haben fünfzehn Mutterkühe. Die Kälbchen bleiben an der Kuh und ich verkaufe sie mit einem halben Jahr an Mastbetriebe. Dort werden sie bis ungefähr zu ihrem zweiten Lebensjahr gemästet, dann geschlachtet und gegessen. Die Kuh kann nach dem halben Jahr erneut vom Bulle gedeckt werden, der läuft mit. Das Futter machen wir selber. In einem Jahr mussten wir mal zu kaufen, ansonsten haben wir so viel Grünland, dass wir die Kühe satt kriegen. Außerdem haben wir noch ein paar Schweine und bauen Kartoffeln an.

Wie alt sind eure Kühe?

Die Kühe haben wir gekauft, als ich 18 geworden bin. Sie sind also seit fast sechs Jahren hier. Ich habe ihnen absichtlich keine Namen gegeben. Wenn man zu emotional an die Tiere gebunden ist, trifft man keine wirtschaftlichen Entscheidungen mehr, sondern emotionale, und das kostet Geld. Ich schütze mich ein bisschen davor. Meine Susi, die habe ich mir von meinem Konfirmationsgeld gekauft, die ist meine Kuh. Man muss halt lernen, dass auch sie irgendwann gehen muss. Das können ja viele nicht verstehen. Warum kann ein Schwein nicht ewig leben? Weil dann kein Schnitzel mehr in der Theke liegt!

Wenn du in die Zukunft schaust, wie stellst du dir deinen Hof vor? Wie willst du arbeiten? Was wäre dein Traum?

Wir mussten damals in der Technikerschule unsere Ziele definieren. Da habe ich irgendwann mal hingeschrieben: 160 Hektar Land, einen Azubi und zwei Hähnchenställe. Und meine paar Mutterkühe - naja, jeder braucht ein Hobby. Den Hof zum Vollerwerb zu führen, das wäre mein Lebensziel.

Tja, das Ziel werde ich nicht erreichen können. Weil die politischen Vorgaben dafür nicht gegeben sind. Wenn man guckt, wie die Entwicklung gehen soll in Deutschland, dann werden wir massive Einschränkungen in der Tierhaltung haben. Und auch in der Außenbewirtschaftung werden wir noch viel einstecken müssen, bis es irgendwann vielleicht wieder anders herum geht und man sagt, wir brauchen wieder vermehrt in Deutschland angebautes Essen. Wenn man schaut, wer die großen Wirtschaftsmächte sind, sieht man, es sind immer die Staaten, in denen Landwirtschaft funktioniert. Da wo keine Landwirtschaft ist, gibt es auch keine starke Wirtschaft. Nach meiner Meinung ist man als Land politisch extrem erpressbar, wenn man auf Importe angewiesen ist. Das habe ich aber nicht alleine zu entscheiden, dafür gibt es 60 Millionen andere Wahlberechtigte.

Was hat dir denn die Zuversicht genommen, dass es mit dem Vollerwerb klappt?

Vielleicht war ich damals etwas optimistischer oder habe nicht so komplex gedacht. Ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass es jemand stören könnte. Weil es ja eigentlich um unsere Lebensmittelgrundlage geht. Vielleicht habe ich so ein bisschen durch eine rosarote Brille geguckt.

Im Oktober 2017 habe ich einen Bauantrag für einen Hähnchenmaststall eingereicht. Daraufhin gab es eine Bürgerinitiative gegen diesen Stall. So viele Leute waren im Grunde genommen gar nicht dagegen, eigentlich war es nur einer, der war hier Ortsvorsteher. An einem Abend sollte das Thema auf der Ortsbeiratssitzung diskutiert werden, ich bin auch hingegangen und habe das Projekt vorgestellt. Die zehn, fünfzehn Leute, die dort waren, waren die, die hier in der Nähe wohnen. Davon waren zwei dagegen. Es gibt viele Unternehmer hier oben, die hatten schon Verständnis dafür, dass auch ich mein Unternehmen aufbauen möchte. Aber wenn's um Tierhaltung geht… Klar, natürlich haben die gesagt, sie kaufen das Bio-Hähnchen. Aber ich weiß, sie kaufen auch das billigste, das sind Unternehmer, die wollen ihr Geld für sich behalten.

Um die Baugenehmigung zu beantragen, muss man Gutachten erstellen lassen. Es gibt so Ausdehnungskurven, wo der Geruch hinzieht, beziehungsweise die Staubemissionen, davon waren im Nachbarort wirklich nur drei Häuser betroffen. Der Ortsvorsteher ist dann in den Nachbarort gegangen, da kann man natürlich Angst schüren. Er hat die Leute kontaktiert, bevor ich mit ihnen reden konnte. Daraufhin hatte er sie auf seiner Seite, und dann gab es dort eine riesige Bürgerinitiative gegen den Stall. Zur gleichen Zeit sollten in Waldeck zwei Ställe gebaut werden und in Sangershausen wollte ein Landwirt einen kleineren Stall bauen, ähnlich wie meiner, so dass sich die Bürgerinitiativen verbunden und gegenseitig unterstützt haben. Es gibt Leute, die da aktiv geworden sind, die einfach nur etwas gegen die Tierhaltung haben ohne sich auszukennen, aber ihren Beruf und ihre Stellung ausnutzen, um andere zu beeinflussen.

Du meinst, die Menschen wollen nicht sehen, wie und wo ihr Essen produziert wird?

Ja, sie wollen alles haben, aber nicht, dass es vor ihrer Haustür produziert wird. Hier oben soll ein Windpark hin, da ist es das Gleiche: Alle wollen Ökostrom, aber die Windräder vor der Haustür wollen sie auch nicht haben. Es will niemand mehr die Produktion vor der Tür haben. Sie macht Lärm, sie stinkt. Ich weiß echt nicht, was das soll.

Was hast du jetzt vor?

Der Bauantrag liegt noch beim Amt. Der Stall ist eigentlich so klein, dass es eine Entscheidung vom Landkreis geben müsste. Aber der Kreis hatte keine Lust, die Verantwortung zu übernehmen. Das ist ja heute auch ein Problem. Der hat den Antrag an das Regierungspräsidium weitergegeben und die haben ihn nach Wiesbaden ins hessische Landesministerium für Umwelt geschickt. Das ist die höchste Instanz, die entscheiden muss. Aber die haben auch keine Lust darunter zu schreiben: „Ja, machen wir.“ Deshalb betreiben die relativ viel Schikane. Wir haben zum Beispiel Gutachten nach den neuesten Standards erstellen lassen, die auch vor Gericht gelten würden. Die brauchen wir, falls jemand dagegen klagt, weil ihm das nicht passt, dass da ein Stall steht. Das Ministerium wiederum sagt, dass noch ein anderes Gutachten fehlt, eines, das vor fünf Jahren rechtlicher Standard war. Dagegen kann man nichts machen, diese Gutachten kosten 3000€ bis 4000€, das ist deren Taktik.

Du hast doch bestimmt schon eine Menge investiert, darf ich fragen, wie viel?

Ein paar in den 20.000€ sind weg. Dafür, dass ich jetzt nichts in der Hand habe. Klar ist man enttäuscht. Mir fehlt wirklich das Verständnis, warum die Leute so denken.

Hast du das Gefühl, dass die Leute es akzeptieren würden, wenn du einen Bio-Hühnerstall bauen würdest?

Zwar haben schon viele behauptet, dass das so sei. Aber was würden sie wohl sagen, wenn morgens früh um sechs die Hähne krähen? Für mich persönlich ist es eigentlich keine Option. Wenn jetzt die Vogelgrippe wiederkommt, müssen die Viecher eh in den Stall und dürfen nicht mehr draußen rumlaufen. Und die Auflagen finde ich auch zu hoch. Eine Investition in den Bio-Bereich ist für mich nicht sinnvoll. Die Bio-Sparte wird immer relativ klein bleiben, weil es ans Geld geht und die Verbraucher einfach nicht bereit sind, dauerhaft mehr für Lebensmittel auszugeben. Und solange ich keine Sicherheit habe, dann auch die höheren Preise gezahlt zu bekommen, investiere ich nicht in diese Sparte. Wir Landwirte haben einfach das Problem, dass wir mit dem Weltmarkt konkurrieren. Im Bio-Bereich spalten wir uns davon etwas ab und für einige funktioniert das ja auch gut. Aber wir sind darauf angewiesen, dass hier mehr Geld ausgegeben wird. Nächstes Jahr kommen die ersten wirtschaftlichen Corona Opfer, die werden dann nicht sagen: „Jawoll, ich kaufe mein Bio-Ei.“ Also ich glaube nicht, dass die Leute für Bio Essen Geld ausgeben, bevor sie ihre Miete bezahlt haben.

Es kann ja jeder Bio machen der will, ich habe nichts dagegen. Aber ich finde, wenn man die Bio-Landwirtschaft als gut darstellt und die andere Landwirtschaft, die faktisch die Mehrheit der Menschen ernährt, als schlecht, das ist absolut nicht in Ordnung.

Wie triffst du jetzt deine nächsten Entscheidungen? Wirst du die Idee mit dem Hühnerstall aufgeben?

Ich bin ein Mensch, der nicht verlieren will. Das aufzugeben wäre eine Niederlage, und damit komme ich jetzt noch nicht zurecht. Rechtlich würde ich auf jeden Fall gewinnen. Jeder hat das Recht, so einen Stall zu bauen. Und nur durch eine öffentliche Meinung wird es mir verwehrt. Ich wohne ja in einem Rechtsstaat und da gibt es gewisse Regularien, die müssen einfach eingehalten werden. Ich kann es nicht akzeptieren, dass das Recht nicht durchgesetzt werden kann. Noch weiß ich gar nicht, ob ich den Stall dann bauen würde, aber die Baugenehmigung möchte ich schon durchsetzten. Es geht ja auch um mein Ego.

Man sieht es ja oft, dass Entscheidungen, die demokratisch getroffen wurden, nicht akzeptiert werden. Zum Beispiel bei den Demonstrationen im Dannenröder Forst. In meinem Fall ist es genau anders herum: Es gibt eine Entscheidung, die in meinem Sinne getroffen werden müsste, denn es ist baurechtlich alles in Ordnung. Nur, weil auf der Behörde Leute sitzen, die entweder keine Verantwortung übernehmen wollen oder die private Meinung haben, dass so eine Tierhaltung hier nicht hergehört, halten sie mich hin. Da bin ich der Meinung, dass sie nicht auf den Posten gehören, denn sie haben sich ans geltende Recht zu halten. Wenn ich das akzeptieren würde, würde ich diesen Menschen Recht geben. Und das passiert ja viel zu häufig, dass Leute etwas durchsetzten, obwohl sie nicht auf der Seite des Rechts stehen. Da fängt für mich die Demokratie an zu bröckeln. Weil Entscheidungen, die die Mehrheit getroffen hat, nicht mehr zählen, nur weil irgendwer dagegen ist. Klar, man muss auch mal gegen etwas sein und Meinungen müssen gesagt werden dürfen.

Wer unterstützt dich bei deinem Plan, den Hof um zu strukturieren? Ist es deine Familie, sind es Freunde, andere junge Leute hier im Ort?

Die meisten jungen Leute denken nicht mehr wie ich. Selbst hier in meinem Freundeskreis haben viele das Projekt Hähnchenmaststall kritisch gesehen. Sie haben das jetzt nicht für ganz schlecht gehalten, aber gut haben sie’s auch nicht gefunden. Bei McDonald's essen sie trotzdem alle das Fleisch. Selbst ich kriege meine Freunde, mein eigenes soziales Umfeld, nicht dahin, anders darüber zu denken. Das ist eine fragliche Entwicklung. Meine beiden Brüder unterstützen mich am meisten.

Was magst du so besonders am Landwirt sein?

Es ist diese Freiheit die man hat, das selbstständige Handeln und Denken. Es gibt eigentlich keine Stunde, in der ich keine Entscheidung treffe. Das Arbeiten mit Lebewesen, diese Vielfalt. Wenn eine Kuh kalbt, bin ich Geburtshelfer. Neulich war ein Kalb so groß, wenn ich nicht geholfen hätte, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kuh gestorben und auch das Kalb. Dann fährst du raus und guckst dir deine Pflanzen an. Siehst, ob etwas die Pflanze beeinträchtigt, ob man ihr helfen muss, ob sie anfängt zu hungern. Wenn die Stängel hellgrün werden zum Beispiel haben sie Stickstoffmangel. So etwas zu sehen, mit der Natur verbunden zu sein. Wenn man früh los fährt und sieht dann die Rehkitze, das sieht ja heutzutage kaum noch jemand. Du bist eigentlich mit der Natur eins.

Empfindest du dich als naturnaher als deine Kritiker?

Natürlich ist Landwirtschaft auch ein Kampf gegen die Natur. Nur, wenn wir unsere Bestände frei von Unkraut halten, kann die Kulturpflanze wachsen. Und nur dann, wenn die Kulturpflanze keine Konkurrenz hat, wächst sie auch groß und bringt Ertrag. Und nur, wenn sie Ertrag bringt, können erstens wir wirtschaftlich von leben und zweitens unsere Gesellschaft ernähren. Die Distel will schließlich keiner essen. Auch wenn Krankheiten an den Pflanzen sind, die zu behandeln und die Pflanzen wieder gesund zu machen beziehungsweise gesund zu halten, das müssen wir erkennen. Es ist ein natürlicher Verlauf, dass die Pflanze krank wird. Oder von Schädlingen befallen wird, Blattläuse im Zuckerrübenanbau zum Beispiel. Natürlich müssen wir im kleinen Rahmen die Natur so beeinflussen, dass sie für uns Menschen das Essen liefert.

Du hast vorhin gesagt, dass du dich frei fühlst. Ich dachte immer, dass Landwirte zum Beispiel nie Urlaub machen können und verbinde den Beruf gar nicht mit Freiheit.

Das Bedürfnis habe ich gar nicht! Ich habe kein Fernweh. Ich war mal zwei Tage an der Nordsee, das war etwas ganz anderes für mich. Nichts, was ich gekannt habe. Wir waren 2007 auf Gran Canaria mit der Familie. Klar war das als Kind ein Erlebnis, das war für mich der einzige Urlaub, der ist mir schon im Kopf geblieben. Im Sommer bin ich mit den Freunden in den Wasser-Erlebnispark gefahren. Das ist mal ein Tag, an dem ich nichts hab. An der Arbeit bin ich für den Pflanzenschutz verantwortlich, wenn ich in der Saison einen Tag frei nehme, muss ich den vor- oder nacharbeiten. Das übernimmt niemand anders, es ist meine Aufgabe und die habe ich zu erledigen. Wie ich das mache, muss ich mir selber einteilen. Wenn ich also ein Wochenende frei machen will, muss ich an den drei Tagen vorher statt meine zehn bis elf Stunden wie an einem normalen Arbeitstag 15 bis 16 Stunden arbeiten.

Was ist deine normale Arbeitszeit?

Wir arbeiten selten unter zehn Stunden am Tag, im Winter fünf Tage die Woche. Im Sommer vierhundert Stunden im Monat kriegen wir hin, immer. Diesen Sommer war natürlich eine entspannte Ernte, durch die lange Trockenheit.

Kannst du beim Fahren über das Feld die Gedanken schweifen lassen?

Da telefoniert man halt viel, kuckt, dass man nebenbei noch was arbeitet. Die reine Hauptarbeit auf dem Feld wird von der Technik stark unterstützt. Natürlich haben wir noch die Kontrolle und sind die ausführende Kraft, aber zum Beispiel das Lenken wird mir komplett abgenommen, das geht alles über die Satellitensteuerung. Dafür sitzen wir halt nicht nur acht Stunden da drauf, manchmal haben wir nur Zeit für ein paar Stunden Schlaf. Das sind dann die Ausnahmen, aber übers Jahr kommt es schon manchmal vor. Und alles nur dafür, damit das Saatkorn vor dem nächsten Regen in der Erde ist, damit es wachsen kann. Das sind dann die Tage, an denen man eh nicht so gut zu sprechen ist. Und da kommen dann noch Nachrichten wie die Bauern sind schuld da dran, da dran, da dran. Da frage ich mich schon: Warum mache ich das? Warum nutze ich mich eigentlich selber aus, um anderen Leute eine Nahrungsgrundlage zu bieten und kriege es noch nicht einmal gedankt. Dann finde ich keine Antwort mehr drauf, warum ich das mache.

Wenn du den Verbrauchern etwas mitgeben würdest was würdest du denn dann sagen wollen?

Kauft regional ein, saisonaler. Und macht euch ein eigenes Bild von der Landwirtschaft. Geht auf die Betriebe, fragt. Und wenn der erste Landwirt euch nicht in den Stall lässt, dann geht ihr zum nächsten. Spätestens der zweite würde Ja sagen. Ich kenne keinen Berufskollegen, der dazu nein sagen würde.

Wenn du dich jemandem vorstellst, was sagst du da? Ich bin Landwirt? Wie reagieren die Leute?

Da ist eigentlich alles vertreten. Viele sagen: „Ah ja cool, bist du Bio-Landwirt?“ Dann sage ich: „Nein.“ Und dann fällt für manche die Welt zusammen, habe ich das Gefühl. Es gibt viele, die es positiv sehen und mich fragen: „Warum machst du das?“

Als ich angefangen habe, mich mit der Landwirtschaft zu beschäftigen, habe ich gedacht, das Thema ist so komplex, es ist klar, dass es keine einfachen Lösungen gibt und ich hatte große Zweifel, ob ich mich wirklich damit beschäftigen sollte. Hast du das Gefühl, dass die schweigende große Mehrheit sich raushält, um nicht nachdenken zu müssen?

Die einen sagen, die Landwirtschaft ist scheiße, die anderen sagen, die Landwirtschaft ist gut. Und es gibt halt die Mitte, die keine Position einnimmt. Weil sie die Probleme vielleicht einerseits versteht, aber weiß, dass es an ihr eigenes Geld gehen würde, etwas zu verändern. Zum Beispiel gibt es viele Leute, die keinen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mehr wollen, aber nie ökologisch angebaute Produkte kaufen. Die finden auch alle keinen Kompromiss mehr, es ist nur ein Schwarz-Weiß-Denken, gut oder böse. Solange das so bleibt, wird es keine politische Sicherheit in der Landwirtschaft mehr für uns geben, keine Investitionssicherheit.

Ich glaube, die große Mehrheit hat nichts gegen den Landwirt, vielleicht auch nicht gegen die Landwirtschaft, sondern ist geprägt durch die Medien. Ob das, was da geschrieben wird jetzt der Realität entspricht oder nicht, ist erst einmal egal. Wenn der Deutsche Tierschutzbund oder so sein Logo drauf hat, dann wird’s halt geglaubt.

Du bist ja hier in Jesberg groß geworden. Was hat dich geprägt?

Jesberg ist das schönste Dorf der Welt, meine Heimat. Ich war immer ein Mensch, der sehr heimatbezogen war. Heimat ist ein Gefühl von Geborgenheit, von Ankommen, nicht Fremdsein. Akzeptiert zu werden, leben zu können ohne mir über meine Handlungen Gedanken machen zu müssen. Schon wenn ich nach Kassel gehe, ist es für mich fremd. Dort würde ich nie zurecht kommen, das ginge nicht. Hört sich jetzt doof an, bestimmt gibt es auch Leute, die sagen, das ist ein Bauerntrampel. Aber das ginge für mich nicht, weil ich auch einfach gar nicht diese kulturelle Vielfalt gewöhnt bin, diese Menschen die da wohnen, die kenne ich überhaupt nicht. In der Stadt fühle ich mich fremd, das ist ein ganz anderes Leben. So geht es wahrscheinlich einem Städter auch, der wird auch nicht verstehen, wieso abends um zwölf die Dorflaternen ausgehen.

Was machen denn die Menschen auf dem Dorf am Abend?

Also, wenn ich abends nach Hause komme, gehe ich duschen und ins Bett. Ich bin immer draußen, unterwegs. Wir treffen uns fünf, sechs mal die Woche. Trinken ein Bierchen zusammen und schwätzen über den Tag. Manchmal bleiben wir an der Arbeit, manchmal hier. Es ist immer irgendetwas los, ich habe nicht viele Freunde, aber die sehe ich sehr oft. Mit einem bin ich aufgewachsen, manchmal treffe ich auch die von der Berufsschule. Die meisten arbeiten in der Landwirtschaft, so viel Zeit haben wir nicht. Aber wenn wir sie haben, dann sehen wir uns.

Es gibt ja nicht so viele Menschen, die wissen, was sie machen wollen, die ihre Begabungen kennen. Die Möglichkeit, deinem Traumberuf nachzugehen, ist dir durch die Familie mitgegeben worden. Aus meiner Perspektive opferst du auf der anderen Seite total viel.

Das sehe ich gar nicht so! Ich opfere nichts. Weil ich, wenn man die wirtschaftlichen Ansichten weg lässt, zufrieden bin. Ich habe Freunde hier, in der Nachbarschaft. Gestern Abend haben wir uns ein Feuerchen angemacht und ein paar Glühwein zusammen getrunken. Wir treffen uns dann mal abends um fünf, das ist ja für die ganzen Schichtarbeiter auch nicht möglich. Wir können unseren Tag selbst gestalten. Im Winter kann man mal spontan auf Vorträge gehen oder so. Dann verschiebst du halt deine Arbeit und fährst auf den Vortrag. Dieses selbst gestalten, das ist gut. Einerseits haben wir nicht diesen Zwang, immer acht Stunden zu arbeiten. Dafür haben wir andererseits auch nicht den Vorteil, nur diese acht Stunden zu arbeiten und dann genug Geld zu haben, das man ausgeben kann wie man will.

Wofür gibst du denn dein Geld aus?

Tja, eigentlich meistens dafür, um den Betrieb weiterzuentwickeln. Das, was der Betrieb nicht erwirtschaftet, finanziere ich privat. Um halt weiterzukommen.

Warum hören denn die Betriebe auf? Manche haben vielleicht keinen Nachfolger, aber die meisten hören doch auf, weil sie mit der Arbeit nicht genug Geld verdienen, die sagen, die Scheiße will ich gar nicht machen. Diese Entwicklung muss man sich angucken. Es hören ja auch große Betriebe auf, die eigentlich wirtschaftlich gut dastehen, die Potential haben. Neulich habe ich zwei Maschinen von einem gekauft, dessen Söhne bei Siemens und Bosch arbeiten. Die lachen darüber, was ich im Jahr verdiene, das verdienen die im Vierteljahr. Und das ohne Risiko. Ob bei denen die Sonne scheint, ob es regnet, das Getreide verfriert oder das Schwein krank ist, die sind Arbeitnehmer, die verdienen ihr Geld auch so.

Das reizt dich aber nicht?

Nee, das will ich nicht. Ich will das hier weiter machen, aber zu Denken gibt es mir doch. Warum verdienen Arbeitnehmer extrem mehr Geld als einer, der als Unternehmer volles Risiko hat und dann auch noch zum Allgemeinwohl beiträgt, wie ein Landwirt? Warum kann der nicht auch ein vernünftiges Einkommen erzielen? Warum ist es einem Land, das so viele sozial Schwache mit versorgt, nicht möglich, die Preise für die Lebensmittel zu erhöhen? Es geht doch in anderen Ländern auch. Wir werden arm gehalten, naja, das hört sich jetzt krass an, aber früher konnte man Land dabei kaufen, das kann heute keiner mehr. Niemand kann sich leisten, Land zu kaufen.

Was ist dein alternativer Traum, wenn es mit den Hühnerställen und dem Vollerwerb nicht klappt?

Politiker zu werden! Wirklich wollen tue ich es nicht. Aber ich finde, anstatt nur zu meckern sollte man auch Eigeninitiative zeigen.

Jetzt hast du hoffentlich einen Eindruck von mir als Mensch gekriegt.

Und auch als Landwirt. Du bist sitzen geblieben, das heißt, so ein schlechter Mensch bin ich schon mal nicht.

Meine Vorstellung von einem Foto wäre vielleicht auf einem blühenden Rappsacker. Draußen im Feld. Weil das mein Leben ist.