Wie triffst du jetzt deine nächsten Entscheidungen? Wirst du die Idee mit dem Hühnerstall aufgeben?
Ich bin ein Mensch, der nicht verlieren will. Das aufzugeben wäre eine Niederlage, und damit komme ich jetzt noch nicht zurecht. Rechtlich würde ich auf jeden Fall gewinnen. Jeder hat das Recht, so einen Stall zu bauen. Und nur durch eine öffentliche Meinung wird es mir verwehrt. Ich wohne ja in einem Rechtsstaat und da gibt es gewisse Regularien, die müssen einfach eingehalten werden. Ich kann es nicht akzeptieren, dass das Recht nicht durchgesetzt werden kann. Noch weiß ich gar nicht, ob ich den Stall dann bauen würde, aber die Baugenehmigung möchte ich schon durchsetzten. Es geht ja auch um mein Ego.
Man sieht es ja oft, dass Entscheidungen, die demokratisch getroffen wurden, nicht akzeptiert werden. Zum Beispiel bei den Demonstrationen im Dannenröder Forst. In meinem Fall ist es genau anders herum: Es gibt eine Entscheidung, die in meinem Sinne getroffen werden müsste, denn es ist baurechtlich alles in Ordnung. Nur, weil auf der Behörde Leute sitzen, die entweder keine Verantwortung übernehmen wollen oder die private Meinung haben, dass so eine Tierhaltung hier nicht hergehört, halten sie mich hin. Da bin ich der Meinung, dass sie nicht auf den Posten gehören, denn sie haben sich ans geltende Recht zu halten. Wenn ich das akzeptieren würde, würde ich diesen Menschen Recht geben. Und das passiert ja viel zu häufig, dass Leute etwas durchsetzten, obwohl sie nicht auf der Seite des Rechts stehen. Da fängt für mich die Demokratie an zu bröckeln. Weil Entscheidungen, die die Mehrheit getroffen hat, nicht mehr zählen, nur weil irgendwer dagegen ist. Klar, man muss auch mal gegen etwas sein und Meinungen müssen gesagt werden dürfen.
Wer unterstützt dich bei deinem Plan, den Hof um zu strukturieren? Ist es deine Familie, sind es Freunde, andere junge Leute hier im Ort?
Die meisten jungen Leute denken nicht mehr wie ich. Selbst hier in meinem Freundeskreis haben viele das Projekt Hähnchenmaststall kritisch gesehen. Sie haben das jetzt nicht für ganz schlecht gehalten, aber gut haben sie’s auch nicht gefunden. Bei McDonald's essen sie trotzdem alle das Fleisch. Selbst ich kriege meine Freunde, mein eigenes soziales Umfeld, nicht dahin, anders darüber zu denken. Das ist eine fragliche Entwicklung. Meine beiden Brüder unterstützen mich am meisten.
Was magst du so besonders am Landwirt sein?
Es ist diese Freiheit die man hat, das selbstständige Handeln und Denken. Es gibt eigentlich keine Stunde, in der ich keine Entscheidung treffe. Das Arbeiten mit Lebewesen, diese Vielfalt. Wenn eine Kuh kalbt, bin ich Geburtshelfer. Neulich war ein Kalb so groß, wenn ich nicht geholfen hätte, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kuh gestorben und auch das Kalb. Dann fährst du raus und guckst dir deine Pflanzen an. Siehst, ob etwas die Pflanze beeinträchtigt, ob man ihr helfen muss, ob sie anfängt zu hungern. Wenn die Stängel hellgrün werden zum Beispiel haben sie Stickstoffmangel. So etwas zu sehen, mit der Natur verbunden zu sein. Wenn man früh los fährt und sieht dann die Rehkitze, das sieht ja heutzutage kaum noch jemand. Du bist eigentlich mit der Natur eins.
Empfindest du dich als naturnaher als deine Kritiker?
Natürlich ist Landwirtschaft auch ein Kampf gegen die Natur. Nur, wenn wir unsere Bestände frei von Unkraut halten, kann die Kulturpflanze wachsen. Und nur dann, wenn die Kulturpflanze keine Konkurrenz hat, wächst sie auch groß und bringt Ertrag. Und nur, wenn sie Ertrag bringt, können erstens wir wirtschaftlich von leben und zweitens unsere Gesellschaft ernähren. Die Distel will schließlich keiner essen. Auch wenn Krankheiten an den Pflanzen sind, die zu behandeln und die Pflanzen wieder gesund zu machen beziehungsweise gesund zu halten, das müssen wir erkennen. Es ist ein natürlicher Verlauf, dass die Pflanze krank wird. Oder von Schädlingen befallen wird, Blattläuse im Zuckerrübenanbau zum Beispiel. Natürlich müssen wir im kleinen Rahmen die Natur so beeinflussen, dass sie für uns Menschen das Essen liefert.
Du hast vorhin gesagt, dass du dich frei fühlst. Ich dachte immer, dass Landwirte zum Beispiel nie Urlaub machen können und verbinde den Beruf gar nicht mit Freiheit.
Das Bedürfnis habe ich gar nicht! Ich habe kein Fernweh. Ich war mal zwei Tage an der Nordsee, das war etwas ganz anderes für mich. Nichts, was ich gekannt habe. Wir waren 2007 auf Gran Canaria mit der Familie. Klar war das als Kind ein Erlebnis, das war für mich der einzige Urlaub, der ist mir schon im Kopf geblieben. Im Sommer bin ich mit den Freunden in den Wasser-Erlebnispark gefahren. Das ist mal ein Tag, an dem ich nichts hab. An der Arbeit bin ich für den Pflanzenschutz verantwortlich, wenn ich in der Saison einen Tag frei nehme, muss ich den vor- oder nacharbeiten. Das übernimmt niemand anders, es ist meine Aufgabe und die habe ich zu erledigen. Wie ich das mache, muss ich mir selber einteilen. Wenn ich also ein Wochenende frei machen will, muss ich an den drei Tagen vorher statt meine zehn bis elf Stunden wie an einem normalen Arbeitstag 15 bis 16 Stunden arbeiten.
Was ist deine normale Arbeitszeit?
Wir arbeiten selten unter zehn Stunden am Tag, im Winter fünf Tage die Woche. Im Sommer vierhundert Stunden im Monat kriegen wir hin, immer. Diesen Sommer war natürlich eine entspannte Ernte, durch die lange Trockenheit.
Kannst du beim Fahren über das Feld die Gedanken schweifen lassen?
Da telefoniert man halt viel, kuckt, dass man nebenbei noch was arbeitet. Die reine Hauptarbeit auf dem Feld wird von der Technik stark unterstützt. Natürlich haben wir noch die Kontrolle und sind die ausführende Kraft, aber zum Beispiel das Lenken wird mir komplett abgenommen, das geht alles über die Satellitensteuerung. Dafür sitzen wir halt nicht nur acht Stunden da drauf, manchmal haben wir nur Zeit für ein paar Stunden Schlaf. Das sind dann die Ausnahmen, aber übers Jahr kommt es schon manchmal vor. Und alles nur dafür, damit das Saatkorn vor dem nächsten Regen in der Erde ist, damit es wachsen kann. Das sind dann die Tage, an denen man eh nicht so gut zu sprechen ist. Und da kommen dann noch Nachrichten wie die Bauern sind schuld da dran, da dran, da dran. Da frage ich mich schon: Warum mache ich das? Warum nutze ich mich eigentlich selber aus, um anderen Leute eine Nahrungsgrundlage zu bieten und kriege es noch nicht einmal gedankt. Dann finde ich keine Antwort mehr drauf, warum ich das mache.
Wenn du den Verbrauchern etwas mitgeben würdest was würdest du denn dann sagen wollen?
Kauft regional ein, saisonaler. Und macht euch ein eigenes Bild von der Landwirtschaft. Geht auf die Betriebe, fragt. Und wenn der erste Landwirt euch nicht in den Stall lässt, dann geht ihr zum nächsten. Spätestens der zweite würde Ja sagen. Ich kenne keinen Berufskollegen, der dazu nein sagen würde.
Wenn du dich jemandem vorstellst, was sagst du da? Ich bin Landwirt? Wie reagieren die Leute?
Da ist eigentlich alles vertreten. Viele sagen: „Ah ja cool, bist du Bio-Landwirt?“ Dann sage ich: „Nein.“ Und dann fällt für manche die Welt zusammen, habe ich das Gefühl. Es gibt viele, die es positiv sehen und mich fragen: „Warum machst du das?“
Als ich angefangen habe, mich mit der Landwirtschaft zu beschäftigen, habe ich gedacht, das Thema ist so komplex, es ist klar, dass es keine einfachen Lösungen gibt und ich hatte große Zweifel, ob ich mich wirklich damit beschäftigen sollte. Hast du das Gefühl, dass die schweigende große Mehrheit sich raushält, um nicht nachdenken zu müssen?
Die einen sagen, die Landwirtschaft ist scheiße, die anderen sagen, die Landwirtschaft ist gut. Und es gibt halt die Mitte, die keine Position einnimmt. Weil sie die Probleme vielleicht einerseits versteht, aber weiß, dass es an ihr eigenes Geld gehen würde, etwas zu verändern. Zum Beispiel gibt es viele Leute, die keinen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mehr wollen, aber nie ökologisch angebaute Produkte kaufen. Die finden auch alle keinen Kompromiss mehr, es ist nur ein Schwarz-Weiß-Denken, gut oder böse. Solange das so bleibt, wird es keine politische Sicherheit in der Landwirtschaft mehr für uns geben, keine Investitionssicherheit.
Ich glaube, die große Mehrheit hat nichts gegen den Landwirt, vielleicht auch nicht gegen die Landwirtschaft, sondern ist geprägt durch die Medien. Ob das, was da geschrieben wird jetzt der Realität entspricht oder nicht, ist erst einmal egal. Wenn der Deutsche Tierschutzbund oder so sein Logo drauf hat, dann wird’s halt geglaubt.
Du bist ja hier in Jesberg groß geworden. Was hat dich geprägt?
Jesberg ist das schönste Dorf der Welt, meine Heimat. Ich war immer ein Mensch, der sehr heimatbezogen war. Heimat ist ein Gefühl von Geborgenheit, von Ankommen, nicht Fremdsein. Akzeptiert zu werden, leben zu können ohne mir über meine Handlungen Gedanken machen zu müssen. Schon wenn ich nach Kassel gehe, ist es für mich fremd. Dort würde ich nie zurecht kommen, das ginge nicht. Hört sich jetzt doof an, bestimmt gibt es auch Leute, die sagen, das ist ein Bauerntrampel. Aber das ginge für mich nicht, weil ich auch einfach gar nicht diese kulturelle Vielfalt gewöhnt bin, diese Menschen die da wohnen, die kenne ich überhaupt nicht. In der Stadt fühle ich mich fremd, das ist ein ganz anderes Leben. So geht es wahrscheinlich einem Städter auch, der wird auch nicht verstehen, wieso abends um zwölf die Dorflaternen ausgehen.
Was machen denn die Menschen auf dem Dorf am Abend?
Also, wenn ich abends nach Hause komme, gehe ich duschen und ins Bett. Ich bin immer draußen, unterwegs. Wir treffen uns fünf, sechs mal die Woche. Trinken ein Bierchen zusammen und schwätzen über den Tag. Manchmal bleiben wir an der Arbeit, manchmal hier. Es ist immer irgendetwas los, ich habe nicht viele Freunde, aber die sehe ich sehr oft. Mit einem bin ich aufgewachsen, manchmal treffe ich auch die von der Berufsschule. Die meisten arbeiten in der Landwirtschaft, so viel Zeit haben wir nicht. Aber wenn wir sie haben, dann sehen wir uns.