Michael, du bist erst nach vielen anderen beruflichen Stationen Landwirt geworden. Wie ist es dazu gekommen, dass du den Schmiedehof betreibst?
Ich bin auch jetzt noch keiner! Ich sage immer, ich bin eher Bauer als Landwirt.
Die Frage ist ja, was will ich sonst machen? Drei Schichten bei VW arbeiten? Oder mich im Lidl an die Kasse setzen? Was es alles für tolle Berufe gibt, von denen ich mir nicht vorstellen kann, mein ganzes Leben mit zu verbringen! Wenn man was macht, dann möchte man ja auch irgendwann mal sehen, dass man was gemacht hat. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich 45 Jahre lang Schichten am Band ableiste, und alles, was sich ändert, ist alle drei Jahre der Getriebedeckel … das ist jetzt vielleicht ein bisschen böse, aber es gibt Leute, die so etwas durchziehen.
Du warst vorher Erzieher, oder?
Ja, das bin ich auch immer noch. Ich arbeite zehn Stunden die Woche in einer Schule für Gehörlose.
Und du hattest einen Motorradladen!
Das waren alles Sachen, die in die jeweilige Zeit gepasst haben. Ich habe immer eine gewisse Vorstellung, wie etwas sein könnte. Den Motorradladen habe ich irgendwann mal aufgemacht, weil ich mich darüber geärgert habe, wie in diesen Geschäften mit Kunden umgesprungen wird. Nach einem halben Jahr wusste ich allerdings auch, wieso das so ist! Ich habe damit richtig viel Geld verdient, keine Frage. Aber Motorradkunden sind halt sehr speziell. Ein paar waren super, weil sie einfach Verständnis für die Sache an sich mitgebracht haben. Die habe ich auch lange, nachdem ich zugemacht hatte, noch betreut. Der klassische deutsche Motorradkunde ist ja eigentlich der, der grundsätzlich erst mal nicht weiß, wo er mit seinem Geld hin soll. Und, ich weiß nicht wieso, aber sich, obwohl er viel Geld hat, das billigste Motorrad kauft. Im Baumarkt, in der 20%-Woche beim Praktiker oder so. Und dann aber erwartet, dass das Ding super geil ist. Der versteht nicht, dass die Reparaturstunde dafür genauso viel kostet wie für einen Roller, der vielleicht 3000€ gekostet hat. Man merkt auf jeden Fall schnell, weshalb die Motorradwerkstätten so sind wie sie sind. Die Kunden möchten das Motorrad am Morgen bringen, es gestern abholen und noch Geld mit nach Hause kriegen.
Hast du mit den Kunden, die jetzt auf den Wochenmärkten und in deinem Hofladen einkaufen, ähnliche Probleme?
Nein, das ist hier mit den meisten Kunden anders. Das liegt aber auch daran, dass der klassische Wochenmarktkunde, und besonders der Biokunde, besser informiert ist und sich anders mit den Themen auseinandersetzt, als ein Supermarktkunde. Dann gibt es auch viele, die einfach nachfragen, wieso die Sachen so viel kosten. Das erkläre ich ihnen und auch, warum das geil ist, warum es sich lohnt, ein bisschen mehr zu bezahlen. Und die meisten Leute, die hier einmal etwas gekauft haben, verstehen das dann auch. Wenn ich mit ihnen darüber gesprochen habe, merken sie vielleicht auch zu Hause, dass das Gemüse besser schmeckt, oder die Wurst oder der Schinken super gut sind. Ich finde es wichtig, dass man nicht einfach willkürlich Sachen teurer macht. Es sollte nicht so sein, dass, nur weil etwas teuer ist, angenommen wird, dass es gut ist. Es sollte eher andersrum sein: Wenn etwas wirklich gut und handwerklich mit Ruhe und Bedacht gemacht ist, muss es seinen Preis haben, weil man sich eben auch viel drum kümmern muss.
Wenn du irgendwo in einer Fabrik Schweineteile in eine Presse schmeißt, es dann zu Formvorderschinken zusammen kochst, schmeckt es natürlich anders, als wenn du einen Schinken mit der Hand mit Salz einstreichst, ihn zwei Wochen lang kalt räucherst und immer wieder raus und rein hängst. Und in dem einen Jahr, in dem er abhängt, gehst du alle drei Tage hin um ihn abzuwaschen.
Wo hast du das alles gelernt? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie du mit der Landwirtschaft angefangen hast. Du hattest einen Motorradladen, ein Reitsportgeschäft, du arbeitest als Erzieher. Und dann kam irgendwann die Entscheidung ökologischer Landwirt zu werden? War das, weil du Deine eigenen Lebensmittel anbauen wolltest? Oder wie kam die Idee?
Es gab überhaupt keine Idee, bei meinen Sachen gibt es nie einen Plan! Ich folge sozusagen immer dem großen Plan. Das war mit dem Pferdeladen genau das Gleiche. Ich hatte den Motorradladen und gegenüber war ein Reitsportgeschäft. Das hat irgendwann zugemacht, weil die pleite waren. Da kamen ständig die Leute zu mir und haben nach diesem Laden gefragt. Ich hatte noch einen freien Raum und von der Idee bis zur Eröffnung hat es sechs Wochen gedauert. Ich hab diesen Raum renoviert, ein bisschen Deko rein gehangen, bin in einen Großhandel gefahren, habe den ersten Grundstock an Waren eingekauft und los ging’s.
Du hast selber auch mit dem Reiten angefangen?
Ja klar, sonst hätte ich ja mit den Pferdeleuten nichts zu tun gehabt. Das war kurz nachdem ich den Motorradladen aufgemacht hatte. In der Mittagspause, wenn die Mädels da Kaffee getrunken haben, bin ich oft rüber gegangen und hab erzählt, dass ich reiten kann wie Winnetou. Irgendwann waren wir bei einer von ihnen auf dem Geburtstag, wir haben ein paar Cocktails getrunken und dann habe ich in meiner geistigen Umnachtung zugesagt, dass ich am nächsten Morgen meine reiterlichen Künste unter Beweis stellen würde. Bis dahin hatte ich noch nie auf einem Pferd gesessen! Dann musste ich also hin, und es waren alle da, weil sie es natürlich sehen wollten. Mich Großschnute, wie ich da rumreite. Ein Mädel ritt mit so einem riesengroßen Pferd im Kreis auf dem Platz, dann haben sie gesagt: "Da musst du gleich drauf!“ Ich hab noch gedacht, die machen Witze, ich setz mich doch nicht auf so einen Riesengaul. Dann hab ich da oben gesessen wie ein Kleinkind beim Ponyreiten. Mit beiden Händen vorne am Knauf festgehalten und einen Buckel gemacht, weil ich Schiss hatte, dass ich runter falle. Irgendwann entspannst du dich, dann fängt es an Spaß zu machen. So hat das angefangen mit dem Reiten, da war ich dreißig.
So entwickeln sich die Sachen bei mir immer. Es passiert irgendwas, und daraus passiert wieder etwas anderes. Ich habe also angefangen zu reiten, dann brauchte ich ein Pferd, und das Pferd musste ja auch irgendwo stehen. Ich habe jemanden kennen gelernt, der hatte Wiesen und auch gleichzeitig Rinder und er brauchte jemand, der sich um die Rinder kümmert. Dann hatte ich also auf einmal die Rinder am Hacken, schon lange, bevor ich den Hof hatte. Dann ist es irgendwann so gekommen, dass die Vermieter mir das Haus gekündigt haben, in dem ich die Läden hatte und in dem ich wohnte. Ich musste also irgendwo anders hinziehen. Und wenn du in Kassel mal kuckst, was die Miete kostet … Für dieses Haus habe ich 200€ bezahlt, das hatte zwar keine Heizung drin und sowas, aber es war ein großes Grundstück dabei. Ich brauchte nicht nur die Wohnung, sondern auch noch für zwei Pferde einen Stellplatz. Dafür wäre ich schon gut 1600€ monatlich an Grundkosten los geworden. Für das Geld, habe ich gedacht, kann ich mir auch irgendetwas kaufen. Und dann hab ich geguckt und den Hof gefunden
Mein aller erster Kunde im Reitladen, der hat gleich an meinem ersten Tag einen Sattel gekauft. Der hatte vier Friesen, die mussten vor einer Kutsche bewegt werden. Also hat er mir den Kutschenschein bezahlt. Dadurch habe ich wiederum andere Leute kennen gelernt und auch jemand, der Vorführungen gemacht hat, mit einem Pflug und so. Und so bin ich dann irgendwann selber dazu gekommen. Als ich den Bauernhof hatte und Land dazu, habe ich es halt selber probiert, mit dem Pflug zu arbeiten. Habe ein bisschen Kartoffeln gemacht, ein bisschen Gemüse für mich selber, einfach nur, weil ich Bock hatte, mit dem Pferd ein bisschen was zu machen. Zu der Zeit hatte ich noch eine halbe Stelle im Kindergarten in Kassel. Dann kam der eine Nachbar: Hast du ein paar Eier, hast du mal ein paar Kartoffeln, immer dies oder das. Und so ist es immer mehr geworden. Völlig wahnsinnig! Am Anfang hatte ich eine Garage, die stand voll mit Gemüse. Daraus habe ich die Leute bedient und Pi mal Daumen abgerechnet. Das konnte ja so nicht weitergehen. Dann habe ich in sechs, sieben Wochen den Hofladen gebaut. Der Supermarkt im Dorf hat zugemacht und meine Eröffnung sollte am Tag danach sein, hat auch geklappt. Das ist natürlich super stressig und kostet unglaublich viel Nerven, die Sachen immer so schnell umzusetzen.
Im Dezember 2013 habe ich den Hof gekauft, im Februar 2014 bin ich da hingezogen, zum 1. April habe ich den landwirtschaftlichen Betrieb angemeldet, einfach mal grundsätzlich, weil ich ja Flächen hatte und wegen der Rinder. In 2015 habe ich die Bioland Zertifizierung gemacht. Einfach deswegen, weil ich unheimlich viele Leute kennen gelernt habe, die auch Biobetriebe haben. Und es ging immer nur in eine Richtung: Ich konnte zwar Sachen von denen kaufen, die aber nie von mir. Damit das ging, habe ich also die Zertifizierung gemacht, weil ich ja eh schon biologisch gearbeitet habe. Der einzige Unterschied ist jetzt, dass ich eine Bioland-Fahne dahin hängen darf und 1600€ Zertifizierungskosten und Vereinsbeiträge im Jahr zahle. Es kostet ein Schweinegeld.