Michael Pillkowsky

Jetzt bin ich glücklicher.

Michael, du bist erst nach vielen anderen beruflichen Stationen Landwirt geworden. Wie ist es dazu gekommen, dass du den Schmiedehof betreibst?

Ich bin auch jetzt noch keiner! Ich sage immer, ich bin eher Bauer als Landwirt.

Die Frage ist ja, was will ich sonst machen? Drei Schichten bei VW arbeiten? Oder mich im Lidl an die Kasse setzen? Was es alles für tolle Berufe gibt, von denen ich mir nicht vorstellen kann, mein ganzes Leben mit zu verbringen! Wenn man was macht, dann möchte man ja auch irgendwann mal sehen, dass man was gemacht hat. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich 45 Jahre lang Schichten am Band ableiste, und alles, was sich ändert, ist alle drei Jahre der Getriebedeckel … das ist jetzt vielleicht ein bisschen böse, aber es gibt Leute, die so etwas durchziehen.

Du warst vorher Erzieher, oder?

Ja, das bin ich auch immer noch. Ich arbeite zehn Stunden die Woche in einer Schule für Gehörlose.

Und du hattest einen Motorradladen!

Das waren alles Sachen, die in die jeweilige Zeit gepasst haben. Ich habe immer eine gewisse Vorstellung, wie etwas sein könnte. Den Motorradladen habe ich irgendwann mal aufgemacht, weil ich mich darüber geärgert habe, wie in diesen Geschäften mit Kunden umgesprungen wird. Nach einem halben Jahr wusste ich allerdings auch, wieso das so ist! Ich habe damit richtig viel Geld verdient, keine Frage. Aber Motorradkunden sind halt sehr speziell. Ein paar waren super, weil sie einfach Verständnis für die Sache an sich mitgebracht haben. Die habe ich auch lange, nachdem ich zugemacht hatte, noch betreut. Der klassische deutsche Motorradkunde ist ja eigentlich der, der grundsätzlich erst mal nicht weiß, wo er mit seinem Geld hin soll. Und, ich weiß nicht wieso, aber sich, obwohl er viel Geld hat, das billigste Motorrad kauft. Im Baumarkt, in der 20%-Woche beim Praktiker oder so. Und dann aber erwartet, dass das Ding super geil ist. Der versteht nicht, dass die Reparaturstunde dafür genauso viel kostet wie für einen Roller, der vielleicht 3000€ gekostet hat. Man merkt auf jeden Fall schnell, weshalb die Motorradwerkstätten so sind wie sie sind. Die Kunden möchten das Motorrad am Morgen bringen, es gestern abholen und noch Geld mit nach Hause kriegen.

Hast du mit den Kunden, die jetzt auf den Wochenmärkten und in deinem Hofladen einkaufen, ähnliche Probleme?

Nein, das ist hier mit den meisten Kunden anders. Das liegt aber auch daran, dass der klassische Wochenmarktkunde, und besonders der Biokunde, besser informiert ist und sich anders mit den Themen auseinandersetzt, als ein Supermarktkunde. Dann gibt es auch viele, die einfach nachfragen, wieso die Sachen so viel kosten. Das erkläre ich ihnen und auch, warum das geil ist, warum es sich lohnt, ein bisschen mehr zu bezahlen. Und die meisten Leute, die hier einmal etwas gekauft haben, verstehen das dann auch. Wenn ich mit ihnen darüber gesprochen habe, merken sie vielleicht auch zu Hause, dass das Gemüse besser schmeckt, oder die Wurst oder der Schinken super gut sind. Ich finde es wichtig, dass man nicht einfach willkürlich Sachen teurer macht. Es sollte nicht so sein, dass, nur weil etwas teuer ist, angenommen wird, dass es gut ist. Es sollte eher andersrum sein: Wenn etwas wirklich gut und handwerklich mit Ruhe und Bedacht gemacht ist, muss es seinen Preis haben, weil man sich eben auch viel drum kümmern muss.

Wenn du irgendwo in einer Fabrik Schweineteile in eine Presse schmeißt, es dann zu Formvorderschinken zusammen kochst, schmeckt es natürlich anders, als wenn du einen Schinken mit der Hand mit Salz einstreichst, ihn zwei Wochen lang kalt räucherst und immer wieder raus und rein hängst. Und in dem einen Jahr, in dem er abhängt, gehst du alle drei Tage hin um ihn abzuwaschen.

Wo hast du das alles gelernt? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie du mit der Landwirtschaft angefangen hast. Du hattest einen Motorradladen, ein Reitsportgeschäft, du arbeitest als Erzieher. Und dann kam irgendwann die Entscheidung ökologischer Landwirt zu werden? War das, weil du Deine eigenen Lebensmittel anbauen wolltest? Oder wie kam die Idee?

Es gab überhaupt keine Idee, bei meinen Sachen gibt es nie einen Plan! Ich folge sozusagen immer dem großen Plan. Das war mit dem Pferdeladen genau das Gleiche. Ich hatte den Motorradladen und gegenüber war ein Reitsportgeschäft. Das hat irgendwann zugemacht, weil die pleite waren. Da kamen ständig die Leute zu mir und haben nach diesem Laden gefragt. Ich hatte noch einen freien Raum und von der Idee bis zur Eröffnung hat es sechs Wochen gedauert. Ich hab diesen Raum renoviert, ein bisschen Deko rein gehangen, bin in einen Großhandel gefahren, habe den ersten Grundstock an Waren eingekauft und los ging’s.

Du hast selber auch mit dem Reiten angefangen?

Ja klar, sonst hätte ich ja mit den Pferdeleuten nichts zu tun gehabt. Das war kurz nachdem ich den Motorradladen aufgemacht hatte. In der Mittagspause, wenn die Mädels da Kaffee getrunken haben, bin ich oft rüber gegangen und hab erzählt, dass ich reiten kann wie Winnetou. Irgendwann waren wir bei einer von ihnen auf dem Geburtstag, wir haben ein paar Cocktails getrunken und dann habe ich in meiner geistigen Umnachtung zugesagt, dass ich am nächsten Morgen meine reiterlichen Künste unter Beweis stellen würde. Bis dahin hatte ich noch nie auf einem Pferd gesessen! Dann musste ich also hin, und es waren alle da, weil sie es natürlich sehen wollten. Mich Großschnute, wie ich da rumreite. Ein Mädel ritt mit so einem riesengroßen Pferd im Kreis auf dem Platz, dann haben sie gesagt: "Da musst du gleich drauf!“ Ich hab noch gedacht, die machen Witze, ich setz mich doch nicht auf so einen Riesengaul. Dann hab ich da oben gesessen wie ein Kleinkind beim Ponyreiten. Mit beiden Händen vorne am Knauf festgehalten und einen Buckel gemacht, weil ich Schiss hatte, dass ich runter falle. Irgendwann entspannst du dich, dann fängt es an Spaß zu machen. So hat das angefangen mit dem Reiten, da war ich dreißig.

So entwickeln sich die Sachen bei mir immer. Es passiert irgendwas, und daraus passiert wieder etwas anderes. Ich habe also angefangen zu reiten, dann brauchte ich ein Pferd, und das Pferd musste ja auch irgendwo stehen. Ich habe jemanden kennen gelernt, der hatte Wiesen und auch gleichzeitig Rinder und er brauchte jemand, der sich um die Rinder kümmert. Dann hatte ich also auf einmal die Rinder am Hacken, schon lange, bevor ich den Hof hatte. Dann ist es irgendwann so gekommen, dass die Vermieter mir das Haus gekündigt haben, in dem ich die Läden hatte und in dem ich wohnte. Ich musste also irgendwo anders hinziehen. Und wenn du in Kassel mal kuckst, was die Miete kostet … Für dieses Haus habe ich 200€ bezahlt, das hatte zwar keine Heizung drin und sowas, aber es war ein großes Grundstück dabei. Ich brauchte nicht nur die Wohnung, sondern auch noch für zwei Pferde einen Stellplatz. Dafür wäre ich schon gut 1600€ monatlich an Grundkosten los geworden. Für das Geld, habe ich gedacht, kann ich mir auch irgendetwas kaufen. Und dann hab ich geguckt und den Hof gefunden

Mein aller erster Kunde im Reitladen, der hat gleich an meinem ersten Tag einen Sattel gekauft. Der hatte vier Friesen, die mussten vor einer Kutsche bewegt werden. Also hat er mir den Kutschenschein bezahlt. Dadurch habe ich wiederum andere Leute kennen gelernt und auch jemand, der Vorführungen gemacht hat, mit einem Pflug und so. Und so bin ich dann irgendwann selber dazu gekommen. Als ich den Bauernhof hatte und Land dazu, habe ich es halt selber probiert, mit dem Pflug zu arbeiten. Habe ein bisschen Kartoffeln gemacht, ein bisschen Gemüse für mich selber, einfach nur, weil ich Bock hatte, mit dem Pferd ein bisschen was zu machen. Zu der Zeit hatte ich noch eine halbe Stelle im Kindergarten in Kassel. Dann kam der eine Nachbar: Hast du ein paar Eier, hast du mal ein paar Kartoffeln, immer dies oder das. Und so ist es immer mehr geworden. Völlig wahnsinnig! Am Anfang hatte ich eine Garage, die stand voll mit Gemüse. Daraus habe ich die Leute bedient und Pi mal Daumen abgerechnet. Das konnte ja so nicht weitergehen. Dann habe ich in sechs, sieben Wochen den Hofladen gebaut. Der Supermarkt im Dorf hat zugemacht und meine Eröffnung sollte am Tag danach sein, hat auch geklappt. Das ist natürlich super stressig und kostet unglaublich viel Nerven, die Sachen immer so schnell umzusetzen.

Im Dezember 2013 habe ich den Hof gekauft, im Februar 2014 bin ich da hingezogen, zum 1. April habe ich den landwirtschaftlichen Betrieb angemeldet, einfach mal grundsätzlich, weil ich ja Flächen hatte und wegen der Rinder. In 2015 habe ich die Bioland Zertifizierung gemacht. Einfach deswegen, weil ich unheimlich viele Leute kennen gelernt habe, die auch Biobetriebe haben. Und es ging immer nur in eine Richtung: Ich konnte zwar Sachen von denen kaufen, die aber nie von mir. Damit das ging, habe ich also die Zertifizierung gemacht, weil ich ja eh schon biologisch gearbeitet habe. Der einzige Unterschied ist jetzt, dass ich eine Bioland-Fahne dahin hängen darf und 1600€ Zertifizierungskosten und Vereinsbeiträge im Jahr zahle. Es kostet ein Schweinegeld.

Gibt es einen Grund, weshalb du dich für Bioland und nicht für Demeter entschieden hast?

Weil Demeter eine anthroposophische Philosophie nach Rudolf Steiner ist. Also, wenn ich jetzt sage, das hat viel mit Hokuspokus zu tun, werde ich wahrscheinlich gesteinigt. Aber für mich ist es Hokuspokus. Für die Menschen, die das machen, kann es ja Hand und Fuß haben nach dem Mondphasen zu pflanzen und so. Da kommt zwar keiner und kontrolliert, wann du deine Sachen gepflanzt hast, aber warum macht man Demeter? Weil man hinter diesem System steht. Für mich war das nie eine Frage, denn ich kann das nicht ehrlich tragen. Der einzige Grundsatz, den ich für mich habe bei allen Sachen die ich mache, ist: Entweder ganz oder gar nicht. Und Ehrlichkeit. Es sind also eigentlich zwei Grundsätze. Ich mache keine Sachen, wo ich keinen Bock zu habe. Ich glaube, alle Menschen, die nur mit halbem Herzen dabei sind, machen es dann auch nicht richtig gut. Wenn irgendetwas geil werden soll, dann musst du das mit vollem Enthusiasmus machen. Und gerade bei sowas merken die Leute, ob ob du dahinter stehst oder ob du das nur machst, um dir die Taschen voll zu machen. Was hiermit definitiv nicht geht!

Verdienst du denn gut?

Also ich sage mal, die Umstellung vom Motorradladen und immer die Kippen voller Geld, zur Landwirtschaft und jeden Euro umdrehen, der war ganz schön hart. In den ersten Jahren war es sehr knapp. Ich erinnere mich, dass ich mal nur so viel Sprit tanken konnte, dass ich damit gerade zur Arbeit kam. Seit zwei Jahren bin ich im Winter, wenn nichts geerntet wird und ich weniger verkaufen kann, nicht mehr in den Miesen. Ich hab definitiv vorher mehr Geld und einen höheren Lebensstandard gehabt. Aber jetzt bin ich glücklicher!

Als ich den Motorradladen hatte, da bin ich manchmal zweimal am Tag essen gegangen, hab Freunde eingeladen, die Familie. Ich habe den Kollegen einen ausgegeben. Es war einfach wie eine unversiegbare Quelle. Ich musste nicht überlegen, ob ich das Auto voll tanke oder nicht, oder ob ich in den Urlaub fahre. Geld war überhaupt gar kein Thema. Ich bin gerne so ein Verdränger. Es war einfach logisch, etwas zu kaufen anstatt die hohe Miete zu zahlen. Dass aber diese ganzen Einnahmen vom Motorradgeschäft und vom Reitsportladen wegfallen würden, das habe ich erst mal schön beiseite geschoben. Ich springe ins kalte Wasser und denke mir, ich werde nicht verhungern, ich habe immer ein Dach überm Kopf. Und wenn nicht, dann habe ich auf jeden Fall Freunde, bei denen ich zumindest für eine gewisse Zeit übernachten kann. Das ist meine Grundeinstellung dazu. Diese Flexibilität und auch eine Angstfreiheit vor negativen Konsequenzen, hat das für mich überhaupt möglich gemacht. Ich glaube, wenn man erst anfängt, alles auf die Waagschale zu legen, und überlegt, was könnte, hätte, würde sein können, dann fängt man so etwas gar nicht an.

So war es auch mit dem Motorradladen. Damals habe ich in einem Kinderheim in Borken gearbeitet, seit sieben Jahren fest angestellt mit einer Vierzig-Stunden Stelle, die habe ich von heute auf morgen gekündigt. Weil ich mich nicht in zehn Jahren fragen wollte, ob es was geworden wäre, sondern wissen wollte, ob es geklappt hat oder nicht. Dieser erste Schritt war eigentlich der schwierigste, aus der Sicherheit des Angestelltenjobs raus aus der so genannten Komfortzone. That’s where the magic happens!

Haben dir deine Eltern diese Lebensart vorgelebt?

Naja, teilweise. Ich glaube nicht, dass das der Grund war, wobei sie auch einmal von heute auf morgen eine Brauerei gegründet haben. Ich lebe ein anderes Leben als meine Eltern, auch anders als meine Schwester und mein Bruder, die beide feste Jobs haben. Ich habe schon zu vielen Dingen eine andere Einstellung.

Wann kamen die Schweine und die Hühner auf deinen Hof?

Die hatte ich eigentlich von Anfang an. Wir haben diese Vorführung mit dem Pflug im Tierpark Sababurg gemacht. Dort gibt es einen Modellbauernhof mit SattelschweinenVom Aussterben bedrohte Hausschweinrasse. und VorwerkhühnernEine alte Zweinutzungsrasse die nicht nur auf Leistung, sondern auch Schönheit von Oscar Vorwerk gezüchtet wurde. Ausführliche Informationen finden sich zum Beispiel hier., und das fand ich schon immer geil. Vor dort hatte ich auch meine ersten Tiere, für mich selber ein paar Schweine und Hühner. Irgendwann ist es halt eskaliert sage ich mal, so ein bisschen entglitten. Es gibt ganz viele Sachen, die ich am Anfang gemacht habe, die ich mittlerweile über Bord werfen musste, einfach, weil es anders nicht mehr ging. Es ist massiv viel Arbeit geworden. Wir haben drei Angestellte. Ich schaffe es nicht mehr, 100% mit dem Pferd zu ackern wie in der Anfangszeit. Ich hatte gar keinen Traktor und habe sogar den Mist mit dem Pferd auf den Acker gefahren! Das kannst du irgendwann nicht mehr machen. Wenn du zehn Schweine hast, 250 Hühner, zwei Pferde und 15 Rinder, dann müsstest du ja jeden Tag Mist fahren. Oder du bräuchtest zehn Leute, so Knechte wie früher, die für ein Bett und was zu Essen die Arbeit machen. Mit den Pferden mache ich im Moment das, was Sinn macht und gut geht. Für die anderen Sachen muss man eben einen Traktor nehmen. Früher zum Beispiel, da habe ich in einer Woche zweihundert Jungpflanzen gepflanzt. Die habe ich alle mit der Hand in den Boden gesteckt, einfach so. Ich habe mit den Pferden zwei Reihen gezogen, habe die Pflanzen reingesteckt und mit der Gießkanne angegossen. Wenn du jetzt aber alle vierzehn Tage fünftausend Jungpflanzen stecken musst, dann geht es ohne Pflanzmaschine nicht mehr, obwohl da immer noch drei Leute hinten drauf sitzen müssen.

Du hast deine Tiere in Freilandhaltung. Ich habe von anderen Landwirten schon gehört, dass sie Probleme mit Wolfsrissen haben. Oder Hühner, die vom Fuchs geholt werden. Wie siehst du das?

Das Problem ist, dass die Schäfer einfach nicht mehr Schäfer sein können, wie Schäfer sein müssten. Man kann nicht von der Schäferei leben. Das Scheren kostet schon mehr, als man an der Wolle verdient. Sie müssten bei ihren Schafen sein, oder sich einen Herdenschutzhund anschaffen, das wird ja sogar staatlich gefördert. Wenn du nachts mit deinem Schäferwagen auf der Weide stehst, dann kommt kein Wolf. Wenn du einfach schon mal in einen Wolfsschutzzaun investierst, wäre geholfen. Das muss man aber wollen. Ich habe großen Respekt vor den Schäfern und finde ihre Arbeit sehr wichtig, aber ich komme an diesem Punkt immer in eine Diskussion. Ich denke, dann können sie es eben nicht machen. Der Wolf gehört letzten Endes für ein gesundes Ökosystem hier her. Er ist ja nur nicht mehr da, weil der Mensch als Nahrungskonkurrent ihn konsequent verfolgt und abgeschossen hat. Ich kann natürlich nachvollziehen, wenn sie seit vielen Jahren Schäferei machen und es keine Wölfe gab, dass sie jetzt mit einer großen Veränderung klar kommen müssen. Das ist nicht einfach.

Es ist ja so, ich habe in einem Jahr mal fast zweihundert Hühner an den Fuchs verloren. Das finde ich auch nicht lustig. Jetzt könnte ich jemanden engagieren, der sich dahin setzt und den Fuchs totschießt, oder dem Jäger Bescheid sagen. Ich möchte aber nicht, dass jemand den Fuchs totschießt, denn Füchse finde ich an sich ziemlich cool. Irgendwas muss ich machen und jetzt habe ich einen doppelten Zaun. Das ist ein richtig großer Aufwand, da habe ich schon im Internet mit anderen Hühnermobilbesitzern Diskussionen geführt! Die sagen, das sei ihnen zu viel Arbeit. Klar, wenn sie ihre Eier für 0,20€ verkloppen, ist das zu viel Arbeitsaufwand. Dann müssen Sie ihre Eier eben teurer machen, um sich das leisten zu können. Ich finde es problematisch, wenn die Leute sagen, wir machen das schon immer so und bevor sie sich selber bewegen, erwarten Sie, dass sich alles andere um sie herum bewegt. Ich glaube, das ist eine schwierige Einstellung, gegenüber der Natur sowieso.

Du selber bedienst eine sehr kleine Nische, was dir ermöglicht, deine Eier zu einem höheren Preis zu verkaufen. Nicht alle Hühnerbesitzer können ihre Preise so leicht erhöhen.

Ja, das mag schon sein, aber das ist ja nicht das Problem der Natur, das ist ja ihr hausgemachtes Problem, weil sie über Bedarf produzieren. Sie produzieren so viele Eier, dass sie nicht zu einem angemessenen Preis verkaufen können. Das ginge vielleicht mit 500 Eiern, sie haben aber 5000, weil sie drei von den Hühnermobilen stehen haben. Weil sie ihre Betriebsstruktur auf Masse statt Klasse aufbauen.

Was hältst du von dem Argument, dass, wenn die Eierpreise in Deutschland steigen, noch mehr Eier aus dem Ausland importiert werden, wo die Haltungsbedingungen der Hühner noch wesentlich schlechter sind als hier? Viele Eier finden sich in Fertigprodukten, als Trockenei, da bemerken es die Kunden nicht einmal.

Diese Argumentation kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Selbst, wenn viele Eier aus dem Ausland importiert werden. Wie kann ich mich als Landwirt hinstellen und sagen, ich kann keine tiergerechte Haltung machen, weil sonst noch mehr Produkte aus dem Ausland importiert werden? Das verstehe ich nicht. Einmal ist es natürlich eine politische Sache, da müssen Politiker Stellung beziehen. Wie gut ist es, dass wir aus Argentinien Rindfleisch importieren? Inwiefern soll das erlaubt sein oder besteuert werden? An zweiter Stelle müssen die Landwirte sich dazu viel stärker positionieren. Sie müssen die Verbraucher mitnehmen, denn die informieren sich ja nicht großartig. Die, die hierher zu mir an den Stand kommen, sind natürlich schon viel informierter, als die, die im Aldi einkaufen gehen. Man muss ihnen erklären, dass es nicht zu teuer ist, sondern dass andere Produkte viel zu billig sind. Das ist eher der Punkt.

Bei ganz vielen Landwirten, zum Beispiel aus meiner Berufsschulklasse, geht es immer nur um mehr: Mehr Masse, mehr Land, mehr Ertrag. Anstatt erst mal zu gucken, wie viel Wertschöpfung kann ich denn am Hof generieren, wenn ich einfach ein bisschen weniger mache. Natürlich kann ich mir auch fünf Hühnermobile hinstellen, wo am Tag 5000 Bioeier produziert werden. Dann muss ich die für 0,17€ das Stück ans Aldi verkaufen oder ans Netto.

Ich hatte das ja zwischenzeitlich mal. Letztes Jahr hatte ich zwei Hühnermobile, mit denen ich so viele Eier produziert habe, dass ich Wiederverkäufer brauchte. Da habe ich sie an Bioläden und Hofläden verkauft. Das ging bis zu den Sommerferien gut, als der erste Laden zwei Wochen Ferien machte, der nächste vier Wochen, bis wir dann 7000 Eier im Hofladen stehen hatten und nicht mehr wussten, wohin damit. Da hab ich gesagt okay, das ist blöd und habe ein Hühnermobil verkauft, an einen der Höfe die vorher von uns verkauft hatten. Die haben jetzt aber selber das Problem: „Wir haben jetzt sechs Wochen zu, willst du unsere Eier haben?“ „Nö.“

Bei mir kostet jetzt ein Ei um die sechzig Cent, je nach Größe und Gewicht. Aber mal so generell, es geht ja nicht nur um Hühner. Ob Schweine, Rinder oder anderes, es wird generell auf Masse produziert und für einen Appel und ein Ei verjuxt. Die Verbraucher sind es gewohnt, zumindest hier in Deutschland, billig einkaufen zu können. Dann kommt immer wieder diese Argumentation: Wenn wir das nicht billig produzieren können, dann kommt es aus dem Ausland. Natürlich! Aber die Lösung wäre nicht, dass die Preise künstlich steigen. Sondern man muss die Einfuhr aus Zweit- und Drittstaaten einschränken, denn es werden ja nicht nur aus der EU, sondern auch aus Lateinamerika und China die Lebensmittel hierher gekarrt. Da kommt ein Einfuhrzoll drauf, das macht jedes andere Land genauso. Natürlich ist das vielleicht auch ein bisschen gegen den europäischen Gedanken, aber solange es so läuft wie jetzt, alle uneinig sind und es so viele unterschiedliche Gesetze in Europa gibt, muss man das meiner Meinung nach einfach so machen. Ich bin natürlich auch naiv und weiß nicht, wie einfach es ist, so etwas umzusetzen. Aber ich glaube daran, dass es umsetzbar ist, wenn ein Wille da ist. Da steckt natürlich viel Geld dahinter, viele Interessen.

Aber dann könnte man sich für artgerechte Tierhaltung einsetzen. Ein Schwein bekommt nicht 0,6 Quadratmeter mehr, sondern sechs oder sieben Quadratmeter, das Zehnfache. Wir brauchen für die Tiere einfach mehr Platz, dann wird das Schweinefleisch automatisch teurer, weil gute Tierhaltung einfach etwas kostet. Da sind noch ganz viele andere Nebeneffekte: die Leute essen weniger Fleisch, es wird weniger produziert, es gibt weniger CO2 Produktion, das hängt ja alles damit zusammen.

Du bist Mitglied bei der Solidarischen Landwirtschaft. Wann und wieso hast du dich dazu entschieden?

Das war im Grunde genommen ganz am Anfang. Bevor wir angefangen haben, auf Wochenmärkte zu fahren, habe ich die Sachen erst mal so aus der Garage verkauft. Und dann habe ich überlegt, dass ich das ganze über Abokisten mache. Zu Beginn habe ich alles auf den Cent genau abgerechnet, das war einfach ein Riesentheater. Donnerstags haben wir die Kisten geliefert und in der Nacht vorher habe ich bis um drei gesessen um alles abzuwiegen und die Rechnungen zu schreiben. Irgendwann bin ich auf das System der Solawi gestoßen. Damals waren es 22 Familien, die bei mir regelmäßig eingekauft haben. Denen habe ich das System vorgestellt und habe beschlossen, den riesigen Verwaltungsaufwand einzuschränken. Letzten Endes sind 13 übrig geblieben, die die Solawi mitgegründet haben. Im Moment sind es 19 Mitgliedsfamilien, das ist auch so unsere Kapazitätsgrenze. Von der Fläche, die wir zur Verfügung haben, geht einfach nicht mehr.

Bist du im Moment mit deinem Leben zufrieden?

Im Grunde genommen schon. Es gibt natürlich Tage, an denen man nicht so zufrieden ist mit dem, wie es gerade ist. Und einen das auch nervt. Tage, an denen ich schon denke, es wäre geil, jetzt mal drei Wochen den Hof Hof sein lassen zu können und in den Urlaub zu fahren. Am letzten Wochenende waren wir unterwegs. Allein diese zwei Tage muss man schon organisieren, dass alles Futter vorbereitet ist, dass soweit alles eingestreut ist, dass die Tränken in Ordnung sind, dass alles läuft. Und dann muss noch jemand da sein, auf den man sich verlassen kann. Länger als zwei, drei Tage ist es unmöglich, wegzufahren. Ich habe bisher noch niemanden gefunden, bei dem ich sagen könnte, ich kann mal zwei Wochen lang weg und da ist jemand, der kümmert sich auch darum, wenn Probleme auftreten. Solange alles glatt läuft, wenn man nur hingehen muss und morgens und abends Futter rein schmeißen muss, ist alles gut. Wenn fünfzehn Rinder durch den Zaun gehen und abhauen, dann musst du schon mal jemand sehr spezielles haben, der in der Lage ist, sich dadrum zu kümmern. Wenn ich im Nachbarort bin, okay, dann kannst du mich anrufen und ich komme. Wenn ich in Schweden bin, der USA oder in der Ukraine oder was weiß ich wo man alles hin fahren kann, es muss ja noch nicht mal soweit sein, Berlin, irgendwo, wo man innerhalb eines Tages nicht mal eben zurück kommen kann, das geht nicht. Das nervt schon mal.

Passiert es denn häufig, dass die Tiere entlaufen?

Nein, so häufig kommt das nicht vor. Aber wenn ich jeden Abend selber einmal bei den Schweinen gucke, dann sehe ich, wenn irgendwo der Zaun nicht mehr so gut ist. Dann stell ich mal kurz den Strom aus, repariere das und dann ist der am nächsten Tag auch noch gut. Wenn du jemanden hast, der sieben Tage lang hingeht und sieben Tage lang ist der Zaun ein bisschen auf, irgendwann schnallen das die Schweine und dann sind sie am achten Tag weg.

Es ist also schwer, gute Mitarbeiter zu finden?

Jemand, der selbstbewusst, verantwortungsvoll und zuverlässig ist. Das sind so drei Eigenschaften, die schwer zu finden sind. Und dann auch noch Bock hat, so etwas zu machen. Wenn wir ein riesiges Gehöft hätten, wo noch drei Wohnungen zur Verfügung stünden, dann würden wir deutschlandweit suchen können und würde sich schon noch ein Landwirt finden, der Lust hätte, mitzumachen und der weiß, worum es geht. Es ist ja kein Hexenwerk.

Jetzt habe ich einen 63-jährigen eingestellt, er hilft mir gerade dabei, die Tapete abzumachen. Da sagt zu mir: „Es ist so toll bei euch, man lernt jeden Tag etwas Neues." Er ist 63 geworden, und hat noch nie Tapete abgemacht? Der ist lieb und nett, aber so jemanden kannst du nicht alleine arbeiten lassen. Und schon gar nicht wegfahren und dem die Verantwortung übergeben!

Ich bin ja mit dem Betrieb gewachsen und mir ist natürlich auch viel Scheiße passiert, aus der ich gelernt habe. Wenn ich Leute anlerne, erkläre ich alles ganz genau: Wie und warum wir was machen. Und dann passieren zwei Dinge: Erstens hört Derjenige entweder nicht richtig zu oder kann sich das alles gar nicht merken. Es geht also trotzdem was schief, weil sie alles so machen, wie sie es sich selber denken. Zweitens passieren Dinge, die man nicht erklärt hat, weil man davon ausgegangen ist, dass es mit einem gesunden Menschenverstand nicht falsch gemacht werden kann. Und dann gehen Dinge schief, obwohl man noch nie dran gedacht hat, dass sie überhaupt schiefgehen könnten.

Mein erster Angestellter, ein Siebenundzwanzigjähriger, den habe ich erwischt, wie er auf dem Heuboden sitzt und kifft! Er hat sich einen Tisch aus einem Heuballen gebaut und sitzt auf dem Heuboden und raucht! Da fackelt dir die Bude ab, weil du so einen Idioten hast, der nicht so weit denken kann wie ein Siebenjähriger.

Mit den Leuten ist es so: Entweder, sie kommen einfach nicht mehr, oder man muss sie loswerden, weil sie nicht fähig sind.

Ich habe eine Mitarbeiterin, die hat bei der Solawi mitgemacht und hat dann immer mehr übernommen, die Iris. Sie ist jetzt schon seit fast zwei Jahren bei mir und kennt die Abläufe genau, so dass man sie bitten kann, mal für zwei Tage auf den Hof und die Tiere aufzupassen.

Ich glaube, man muss Sachen wollen, dann kann man sie auch. Bei einer Bio-Kontrolle wurde mal moniert, dass wir kein Ernte- und kein Pflanzjournal führen, in dem wir aufschreiben, wann wir was gepflanzt und wie viel und wann wir geerntet haben. Wir müssen das machen, haben es aber nicht gemacht. Das hat Iris nach der Kontrolle ganz selbstverständlich übernommen. Sie hat ihr Büchlein, da schreibt sie das jeden Montag und Freitag wenn wir ernten auf. Beim Pflanzen ist sie auch meistens dabei, ich muss mich nicht darum kümmern, weil ich weiß, dass es läuft. Ich muss mich auch nicht darum kümmern, dass sie ihren Stundenzettel ausfüllt, damit ich ihr rechtzeitig das Geld überweisen kann. Wir haben jetzt seit sechs Wochen einen Mitarbeiter bei uns, der hat weder seinen Stundenzettel ausgefüllt vom ersten Monat, das hab ich dann gemacht, noch hat er mir seine Sozialversicherungsnummer oder seine Steuer ID mitgeteilt. Der hat immer noch kein Geld bekommen. Da muss ich hinterher telefonieren, weil der Steuerberater schon dreimal angerufen hat. Dann sagt er so Sachen wie: „Hör mal zu, das können wir ja auch in drei Monaten noch abrechnen.“ Nein! Wenn überhaupt schon jemand zu mir „Hör mal zu!“ sagt, was nimmt er sich raus? Also, die Leute müssen mich ja nicht mit „Großer Meister" anreden und wenn mich jemand seit fünf Jahren kennt, kann man mit mir auch anders sprechen, als wenn man seit sechs Wochen da ist.

Es kommen ganz viele die denken naja, Bio, das ist alles ein bisschen sozial, da muss man nur wenig machen und bekommt Geld. Und das ist es ja nicht, es ist ja letzten Endes für mich und auch meine Frau eine Lebensgrundlage. Das muss laufen, da kann nicht andauernd was schief gehen. Da kann man nicht heute mal kommen und morgen mal nicht, das funktioniert nicht. Viele sehen das gar nicht, gerade die, die nur einmal die Woche zum helfen kommen. Die sehen vielleicht nur, das man jede Woche gießt. Dass man die nächste Woche schon die doppelte Fläche gießt, fällt denen vielleicht gar nicht auf. Die fragen sich auch nicht, wie das alles in die Erde gekommen ist. Es ist für mich noch ein spannendes Rätsel, was in manchen Menschen vor sich geht.

Wie funktioniert das eigentlich im Bio Anbau mit der Pflege der Pflanzen? Ich weiß inzwischen von den konventionellen Landwirten, dass sie bestimmte Mittel einsetzen können, wenn sie an den Pflanzen Schädlinge finden. Woher weißt du, was du machen musst, wenn an deinem Broccoli zum Beispiel Insekten knabbern? Gibt es da so etwas wie einen Arzneikasten von Bioland?

Nein, so etwas gibt es nicht. Es gibt bei Bioland aber für alles Berater, richtige Spezialisten. Die kann man für die Schweine, Bienen, Rinder, Hühner und für den Pflanzenanbau, einfach für alles, ansprechen. Außerdem sind wir Biobauern in der Region sehr gut vernetzt und helfen uns gegenseitig. Da kann man immer fragen, wie es die anderen machen. Und ein ganz großer Teil ist trial and error.

Ich werde oft von den Kunden gefragt: „Wie machen Sie dies und das?“ Zum Beispiel, dass die Radieschen so gut wachsen. Ja, keine Ahnung! Ich pflanze sie und ich gieße sie jeden Tag und freue mich dran. Vielleicht fehlt bei ihren Radieschen die Freude daran. Ich weiß es nicht! Es gibt natürlich auch Sachen, die nicht so gut funktionieren und dann ist das halt so.

Es funktioniert also manchmal auch was nicht?

Ja total! Das passiert super oft. Aber in unserem Betrieb haben wir über 65 Gemüsekulturen. Wir haben Schweine, Hühner, Rinder. Eine Zeit lang hatten wir sogar noch Bienen. Ich sage mal, wenn ein oder zwei Dinge davon nicht funktionieren, dann ist das nicht so schlimm. Wenn ich jetzt nur Schweine hätte und die Schweinepest kommt, dann wäre Feierabend. Dann hätte ich von heute auf morgen nichts mehr. Das ist, glaube ich, so ein bisschen der Trick, sich mit einem breiteren Standbein aufzustellen.

Wie bist du von den anderen Biobauern so als Quereinsteiger und absoluter Neuling aufgenommen worden? Kommt das im Biobereich häufiger vor, als im konventionellen?

Das weiß ich nicht. Ich glaube, es gibt einiges an Quereinsteigern, aber selten solche wie mich, die aus einer ganz anderen Ecke kommen und bei Null anfangen. Die meisten haben schon Höfe im Hintergrund. Ich hatte durch die Reiterei bereits Kontakt zu einigen Landwirten, habe bei einigen geholfen und so weiter. Wenn man sich in so eine Szene begibt, lernt man ja schnell Leute kennen.

Du hast auch noch eine Ausbildung abgeschlossen, wie war diese Erfahrung?

Naja, das war einfach eine kostengünstige Möglichkeit, noch einen landwirtschaftlichen Abschluss nebenbei zu erwerben. Wirklich weitergebracht hat mich das nicht. Es gibt natürlich ein paar Punkte, wo ich etwas Hintergrundwissen dazu gewonnen habe. Aber das meiste, was ich für meinen Betrieb brauche, das ist learning by doing. Und sich bei Leuten schlau machen, die das schon lange machen und Ahnung haben.

Ich hatte einen Lehrer, der sich sehr gut mit der Schweinemast auskannte. Der hat uns vorgerechnet, dass ein Schwein in der konventionellen Haltung nach Abzug der ganzen Kosten dem Landwirt 5€ Gewinn einbringt. Deshalb müssen sie auf Masse gehen und Kosten reduzieren. Ich habe durch die Direktvermarktung eine ganz andere Wertschöpfung. Dafür leben die Sattelschweine bei mir artgerecht in einer kleinen Gruppe und werden erst mit zwölf bis vierzehn Monaten geschlachtet, nicht mit fünf bis sechs. Man schmeckt den Unterschied und die Kunden wissen das zu schätzen.

Du hast schon so viele verschiedene Sachen in deinem Leben durchgezogen, hast du schon ein Gefühl dafür, ob du jetzt bei der Landwirtschaft bleibst?

Das weiß ich noch gar nicht. Es war ja auch nie mein Plan, viele verschiedene Sachen zu machen. Ich habe nie gesagt: „Ich werde jetzt Biobauer.“ Das war am Anfang nur Spielerei. Dann kam diese „ganz oder gar nicht Geschichte“ zu tragen, und dass ich ganz konsequent bin in dem, was ich mache.

Wenn man dann mal wieder so ein paar Tage hat, an denen einen das Ganze richtig, richtig stresst, wenn man die Schnauze voll hat und am liebsten alles hinschmeißen wollte, wenn man darüber nachdenkt, dann bleibt letztens immer die Frage im Raum: Und dann? Was mache ich dann? Arbeite ich wieder vierzig Stunden als Erzieher? Oder mache ich noch mal einen Motorradladen auf? Oder werde ich Friseur? In dieser Entwicklung, wo eins zum anderen geführt hat bis zu diesem Punkt, wo ich jetzt bin, hat sich noch nicht wieder etwas ergeben, aus dem ich sagen könnte, daraus entsteht jetzt dieses oder jenes. Keine Ahnung, vielleicht werde ich irgendwann einmal ein ganz toller Landwirtschaftsberater, aber das sage ich jetzt nur so, das ist kein Plan.

Was stresst dich denn so?

Naja, wenn du 65 Stunden die Woche arbeitest im Betrieb und noch zehn Stunden an die Arbeit gehst, dann ist das natürlich ein Pensum. Ich gehe noch arbeiten, weil mir das Spaß macht, und weil ich nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Kollegen haben möchte. Jetzt gerade kommt noch die Renovierung des Hauses hinzu, das ist dann einfach viel! Irgendwann fängt es ja auch an, mal hier und mal da zu ziepen. Dann komme ich auch mal an einen Punkt, wo die Kräfte zu Ende sind. Wo ich auch mal sage, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich gehe jetzt ins Bett! Das kann man zwar alles lustig sagen, aber man kann es nicht machen, denn die Viecher müssen ja trotzdem noch Fressen bekommen, auch wenn man nicht mehr kann. Das sind dann manchmal Situationen, an denen man am Limit ist. Da denke ich schon, boah Alter, jetzt drei Wochen kroatische Adria wär auch geil!

Ich brauch das aber auch nicht. Ich muss mich nicht in den Flieger quetschen und irgendwo hin fliegen. Natürlich wäre es toll, mal irgendwann drei Wochen am Stück Urlaub zu machen. Und ich drücke mir auch die Daumen, dass wir jemanden finden, so dass wir sagen können alles klar, wir machen mal Urlaub.

Engagierst du dich auch politisch für den Biolandbau?

Abseits von „ich laber die Leute auf dem Markt voll oder ich diskutiere im Hofladen“ nicht. Als es noch kein Corona gab, habe ich Betriebsführungen gemacht. Da habe ich erklärt, was wir machen und wie und vor allem auch, warum. Oder auch mit Freunden und Bekannten versuche ich den Fokus darauf zu richten, wie die Dinge zusammenhängen. Im Moment liegen hier so Karten aus, die kann man an die Ursula von der Leyen verschicken, wenn man nicht möchte, dass dieses Crispr-Gentechnik-Verfahren in Europa erlaubt wird. Aber ich fahre nicht zur Grünen Woche mit dem Traktor und demonstriere, da habe ich keine Zeit zu. Da bleibe ich dann doch lieber zu Hause oder fahre an die Adria. Es ist eher so lernen am Vorbild. Wenn sich von hundert Leuten einer denkt: „Ach, das ist aber geil was der macht, das mache ich jetzt auch so“ oder die Leute bewusster einkaufen, dann habe ich ja schon was gewonnen.

Bleibt dir Zeit für Freunde oder das Motorradfahren?

Wenig. Ich bin ja bis vor sechs Jahren immer Motorrad gefahren und hatte eines. Vor einiger Zeit hatte ich die Idee, dass ich mal wieder fahren möchte und mir eins anschaffe. Aber daran muss ich auch Freude haben, wenn ich nicht fahre. Es muss also etwas Besonderes sein, jetzt habe ich einen Oldtimer, 70 Jahre alt. Außerdem spiele ich einmal die Woche Eishockey, seit 30 Jahren. Ich bin ja schon 43, also spiele ich sogar noch länger.

Hast du eigentlich Kinder?

Keine eigenen, aber zwei Ziehsöhne. Der Sohn meiner langjährigen damaligen Partnerin und ein Junge, der als Waise ins Heim kam. Wegen ihm habe ich meinen Arbeitsvertrag erst gekündigt, nachdem er volljährig war. Er hat mich schon zum dreifachen Opa gemacht, das ist schon skurril, so mit 43. Ich bin Opa Giggi. Am Anfang konnte die Kleine nicht Michi sagen. Das ist auch was, da könnte ich nicht sagen, wie das mit Kindern geworden wäre. Wenn sie vernünftig aufwachsen sollen, brauchen sie ja schon etwas Stabilität. Wenn man zwei Kinder hat, kann man diese Einstellung „irgendwo schlafe ich schon“ nicht bringen. Das ist problematisch. Wobei ich nicht weiß, ob ich es nicht trotzdem gemacht hätte. Seit zwei Jahren bin ich jetzt verheiratet, wir kennen uns auch noch nicht so viel länger. Ich habe ihr einen ganz überraschenden Antrag gemacht. Tatsächlich ist meine Frau die erste Partnerin, die mich uneingeschränkt unterstützt.