Juliane und Günther Friedrich

Ich habe mich für ein komplett neues Leben entschieden!

Du bist erst vor ein paar Jahren auf den SoodehofEins gekommen und sozusagen eine Quereinsteigerin in der Landwirtschaft. Wie kam es dazu?

Ich habe damals in Düsseldorf gelebt und war zu Besuch bei meinen Eltern. Auf dem Reitturnier hier in Hombressen habe ich Günther kennen gelernt. Es hat sofort gefunkt zwischen uns! Nachdem wir uns eine zeitlang immer nur getroffen haben, mussten wir entscheiden, wie es weitergehen soll.

Ich wollte damals nicht direkt hier auf den Hof ziehen. Ich war schon länger getrennt, aber Günther erst kurz. Wir haben dann ein Jahr gemeinsam in Burguffeln gelebt. Drei bis vier Tage war ich bei ihm, den Rest der Woche in Düsseldorf, da habe ich in einer Jugendherberge gewohnt. Günther meinte auch, dass das die schönste Zeit seines Lebens gewesen sei. Wir haben so richtig intensiv gelebt, sind zusammen ausgeritten, haben zusammen gekocht, sind ausgegangen, haben viel mit meinem Sohn unternommen.

Irgendwann stand die Entscheidung an: mein Leben in Düsseldorf behalten, oder aufs Dorf zurück gehen? Ich hatte gerade begonnen, mich hier zu bewerben - und dann war ich schwanger. Damit war die Entscheidung, das Kind zu bekommen und auf den Hof zu gehen, für mich klar!

Seit wann bist du jetzt auf dem Hof?

Seit fünf einhalb Jahren.

Bist du von allen willkommen gewesen?

Nein, ich war nicht willkommen. Die Eltern meines Mannes haben damals noch beide hier gelebt, der Vater ist leider vor kurzem verstorben. Es war nicht einfach. Mit mir ist ganz viel frischer Wind hierher gekommen und natürlich viele Veränderungen. Mein Halt war meine Familie. Ich stamme ja aus Hombressen und bin nach dem Abi Richtung Kassel und immer weiter weg gezogen, habe in Frankreich, der Schweiz gelebt und in den USA. Meine Eltern sind hier und auch mein altes Umfeld, meine Freunde. Die haben mir den Rücken gestärkt und sich gefreut. Als unser Sohn kam, war ich akzeptiert, aber geliebt war ich von seiner Familie nie.

Mir hat geholfen, dass ich nicht zwanzig war sondern eine Frau über vierzig. Irgendwann hat man seinen Standpunkt und sagt, ich gehöre jetzt hier her und wir gehören zusammen. Mein Mann war immer bei mir, bedingungslos. Er hat immer hinter mir gestanden und mir das Gefühl gegeben, dass er möchte, dass ich hier bin und bleibe. Wir haben sogar geheiratet! Da wir es beide versemmelt hatten, war das nicht von Anfang an klar. Wir hatten ein großes Fest auf dem Hof.

Jetzt fühle ich mich hier zu Hause, der Hof ist mir wirklich ans Herz gewachsen.

Als wir am Telefon gesprochen haben, sagtest du, der Umzug auf den Hof sei ein bisschen wie ein Kulturschock für dich gewesen. Kannst du das beschreiben?

Ich habe nach unserem Telefonat mit Günther darüber gesprochen. Er meinte, dass der Begriff doch ein bisschen hart sei. Aber ich finde, er trifft es schon ganz genau. Ich habe mich nicht nur für den Mann entschieden, sondern für ein komplett neues Leben. Ich bin aus einer Position im Management in Düsseldorf, zu der auch ein gewisses Umfeld und ein Lebensstil gehören, aufs Dorf gekommen. Auf einen Bauernhof mit über 130 Milchkühen, Rindern, Pferden, ein paar Schafen und Ziegen und einer Biogasanlage. Und ich habe ganz neue Aufgaben übernommen, mein Leben komplett umgekrempelt, alte gute Freundschaften aufleben lassen und viele tolle neue Menschen kennengelernt.

Es hat eine Menge Mut dazu gehört. Das macht man nicht mal eben so aus dem Handgelenk. Mein Chef ist damals aus allen Wolken gefallen! Er hat gedacht, ich drehe komplett durch. Und auch viele meiner Freundinnen waren davon überzeugt, dass ich das nicht schaffen würde. Sie sagten: „Der Mann ist toll, aber auf einem Bauernhof leben, das kannst du nicht!“

Du hast dich also komplett neu erfinden müssen! Das gilt auch für deine Berufstätigkeit. Der SoodehofEins ist inzwischen nicht mehr nur ein klassischer Milchviehbetrieb, ihr bietet Events, Seminare, Kinderbetreuung und Ferienwohnungen an. Wie ist es dazu gekommen?

Als Juri fast zwei wurde, habe ich gedacht: „Und jetzt?“ Ich brauche doch wieder einen Job, ich kann nicht nur Hausfrau und Mutter sein. Mir ist es schon wichtig, finanziell unabhängig zu sein, auf eigenen Beinen zu stehen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, von Günther zu leben, auf so einem Hof, das geht für mich nicht. Wenn ich eine Stelle angenommen hätte, wäre ich viele Stunden am Tag weg gewesen und hätte nur wenig Zeit für die Kinder gehabt. Günther hat dann gefragt, ob der Hof nicht eine Perspektive für mich bieten würde. Aber ich bin ja nicht Landwirtin, ich hatte überhaupt kein landwirtschaftliches Know-how!

Es fing so an, dass wir immer wieder Anfragen für Kindergeburtstage hatten. Dann haben wir zwei große Hoffeste organisiert: Beim ersten gab es einen Graffiti Wettbewerb, unser großer Behälter wurde besprüht und auch ein Preis ausgeschrieben. Beim zweiten hatten wir Live-Musik mit verschiedenen Bands. So ist dann die Idee für den Event-Bereich entstanden. Ich liebe es ja, Projekte zu organisieren und Events zu veranstalten. Das wollte ich immer machen! Dank des tollen Hofes kann ich die Fähigkeiten, die ich aus meinem vorherigen Leben mitbringe, in etwas ganz Neues umwandeln.

Zu den Kindergeburtstagen kam ein Betreuungsangebot dazu. Zu uns kommen Familien aus einem Umkreis von 35 Kilometern. Ich habe letztes Jahr eine Freundin eingestellt, die mich unterstützt. Meine Schwägerin ist Pädagogin und hat mir bei der Entwicklung der Konzepte geholfen. Außerdem hat sie mir basteln beigebracht, das konnte ich vorher gar nicht! Wir sind ein kleines Team, alleine würde ich das gar nicht schaffen. Die Eltern sind bereit, dafür Geld zu zahlen, dass ihre Kinder auf einem Hof sein können und glücklich sind. Es war nicht so einfach, die Preise festzulegen. Am Anfang war ich unsicher, aber es muss ja auch etwas übrig bleiben. Die Eltern sind zufrieden und die Kinder freuen sich riesig. Den Familien ist es egal, ob wir konventionell oder biologisch wirtschaften. Wenn sie einmal hier sind, fühlen sie sich wohl und wollen bleiben, besonders die Kinder. Es ist eine Auszeit für den Kopf, obwohl sie hier auch so viel lernen.

Jetzt sitzen wir hier vor den neuen Ferienwohnungen. Sie sind wahrscheinlich durch die Corona-Einschränkungen noch nicht oft belegt gewesen?

Ja, nach den ersten Events kam uns die Idee für die Ferienwohnungen. Also haben wir angefangen, zu bauen. Meine erste Zeit auf dem Hof war sehr entspannt, aber als dann die Bauphase angefangen hat, war es hart. Da haben wir wirklich sehr viel gearbeitet. Ohne die Hilfe meiner Eltern hätte ich das nicht geschafft. Meine Mutter und mein Vater haben oft gekocht und die Kinder übernommen. Ich habe schon im Studium gesagt, dass ich mich bestimmt mal selbständig mache, es hat also irgendwie gepasst. Jetzt natürlich unter erschwerten Bedingungen. In der Pandemie mit diesem Unternehmen zu beginnen, war das Schlimmste, was einem passieren konnte. Dadurch, dass es mein Unternehmen und eine gewerbliche Differenzierungsmaßnahme in der Landwirtschaft ist, habe ich Anspruch auf Corona-Hilfen. Wir machen das Beste draus.

Dafür ist dank Corona unser Leben, was die Arbeitsbelastung betrifft, wieder relativ normal geworden. Ich habe in der Zeit ein Kinderbuch geschrieben. Das Schreiben war für mich ein innerer Ausgleich, es hat mir Ruhe gegeben und total viel Spaß gemacht. Das Buch heißt „Die Zeitreisenden“ und es geht um einen Jungen, der Angst davor hat, dass seine Oma an Leukämie stirbt. Meine Oma ist an Leukämie gestorben und ich glaube, das war der Zünder.

Du bist jetzt also selbstständige Unternehmerin! Wie ist denn die Situation bei Günther?

Günther ist im Hamsterrad mit diesem Milchviehbetrieb, das muss ich so sagen. Er ist rund um die Uhr verfügbar, hat das Handy-Headset ständig am Ohr. Damit sind auch die Maschinen vernetzt, der Melkroboter und die Biogas-Anlage, die Fehlermeldungen bekommt er sofort mit. Ich merke das an seinem Schlaf, mit einem Ohr ist er immer draußen. Dass sich das jetzt mit Mitte fünfzig mal ändert, hat er sich verdient, finde ich.

Er ist der jüngste Sohn und hat drei ältere Schwestern. Die Erwartungshaltung an ihn war ganz klar. Er wollte das ja natürlich auch ein Stück weit, soweit man das mit sechzehn einschätzen kann. Er ist ein sehr guter Landwirt und auch ein sehr guter Unternehmer. Aber es ist sehr, sehr kräftezehrend. Knapp dreihundert Tiere hat er. Und er sagt immer: „Ich bin für jedes Lebewesen verantwortlich.“ Er muss täglich nach jedem einzelnen schauen. Sind die Klauen in Ordnung, die Augen, das Euter? Er steht auch für jedes Tier nachts auf, wenn irgendetwas ist. Es ist schon ein harter Job, das muss ich wirklich sagen. Ein Landwirt, der so ein Unternehmer ist wie Günther, muss viele Talente haben: Man muss ein bisschen BWLer sein, ein bisschen Tierarzt, von Ackerbau Ahnung haben, von den Tieren, der Technik. Das können nicht so viele Menschen, es ist eine große Herausforderung.

Und dann noch die Abhängigkeit von der Molkerei! Das passt nicht mehr in die heutige Zeit. Die Milchproduzenten sind 100% abhängig von den Molkereien und haben keinerlei Einfluss auf den Preis ihrer Produkte. Ich finde das unmöglich!

Der Event-Bereich ist neben der Viehwirtschaft und der Biogasanlage als drittes Standbein gedacht, so dass Günther in seinem Bereich Dinge verändern kann. Er soll den Betrieb in Ruhe umstellen können, das war die Idee dahinter. Und ich möchte natürlich auch, dass er stolz auf mich ist, dass der Betrieb sich so weiterentwickelt hat, und dass wir gemeinsam etwas Neues versuchen.

Ihr habt also vor, den Hof neu aufzustellen. Nicht nur auf einen Biobetrieb, sondern weg von der Milchviehhaltung. Weshalb?

Die Umstellung auf einen Bio-Milchviehbetrieb wäre ein riesiger Kraftaufwand mit hohen Investitionskosten, das trauen wir uns nicht mehr zu, da ja auch kein aktueller Nachfolger da ist. Wir wollen jetzt in etwas investieren, das uns das Leben etwas leichter macht und womit wir uns besser identifizieren können.

Günther und ich können uns mit einem Bio-Fleischrinderbetrieb besser identifizieren, als mit der jetzigen Milchviehwirtschaft und der Molkerei dahinter. Günther hat schon zwei Molkerei-Pleiten miterlebt. Vor fünf Jahren haben wir diesen Absturz der Milchpreise auf 18 Cent ausgestanden. Das macht so viel Druck! Egal, wie gut man ist, man kann noch so viel arbeiten, man hat keinen Einfluss und muss die Preise als Gottgegeben hinnehmen.

Die Investitionskosten wären bei der Umstellung von Milchvieh höher?

Ja, wir bräuchten einen neuen Stall, der uns zwei, drei Millionen kosten würde. Dieser Stall ist eigentlich schon veraltet. Die Bio-Rinderzucht hingegen könnten wir im vorhandenen Stall realisieren. Während der zweijährigen Umstellung entstehen hohe Kosten, weil der Ackerbau und die Futterproduktion schon auf bio umgestellt werden müssen, man aber in diesem Zeitraum nur den konventionellen Milchpreis bekommt. Wir haben noch viele Wiesen, auf denen die Rinder stehen könnten. Da können die Milchkühen nicht drauf stehen, weil sie zu weit weg sind und die Kühe ja zum melken in den Stall müssen.

Bio ist also für euch auch ein Thema. Belastet euch die Berichterstattung über die konventionelle Landwirtschaft?

Mich gar nicht, ich sehe mich ja nicht als die typische Landwirtin. Günther kann diese Berichterstattung nicht nachvollziehen und ärgert sich darüber. Aber er freut sich mehr über jeden Gast, der herkommt und sich wohl fühlt. Das war ja auch eines unserer Ziele, dass wir den Betrieb transparent machen wollten. Wir wollen, dass viele Menschen her kommen, mit uns in den Stall gehen, egal, was wir gerade machen, ob Milchvieh oder Fleischrinder, bio oder konventionell. Einfach sehen, wie wir die Tiere halten, was sie fressen, wie wir mit ihnen umgehen. Ich habe noch nie jemanden im Stall gehabt der gesagt hat, um Gotteswillen, was macht ihr denn mit den Tieren. Ganz im Gegenteil: Die meisten finden es super, obwohl wir kein Bio-Betrieb sind.

Ihr seid beide Reiter, habt ihr manchmal Zeit für einen gemeinsamen Ausritt? Das stelle ich mir gerade romantisch vor.

Neben der vielen Arbeit gibt es schöne Momente. Wir gehen oft zusammen reiten. Ausgeritten sind wir im letzten Jahr nicht, weil Günthers Stute ein Fohlen bekommen hat. Aber mit den Kinder gehen wir in die Reithalle im Dorf.

Ja, Romantik… also dieses idyllische Bauernhofleben, das gibt es schon auch an manchen Tagen. Das haben wir hier im Sommer, wenn Ernte ist, wir auf den Strohwagen mitfahren und es mal was zu Essen auf dem Feld gibt. Das ist schon noch ein bisschen so wie früher in meiner Kindheit. Oder wenn Günther und ich mal zusammen Stalldienst machen, dann helfe ich die Spalten schieben, die Kälber tränken und wir haben richtig Spaß zusammen.

Der Kleine hat jetzt auch schon Freude daran. Der Große fühlt sich hier sehr wohl, er hat ja auch sein Pony, aber Interesse an der Landwirtschaft hat er nicht. In der Corona-Zeit ist es natürlich auch ein Segen für die Kinder.

Vermisst du das Großstadtleben?

Ja, im Moment schon! Meine Freundin war gestern zu Besuch und ich wäre so gerne mal zu ihr nach Köln gefahren, oder zu meiner anderen Freundin nach Mailand. Aber das hat gar nichts damit zu tun, dass ich mich für den Hof entschieden habe. Wenn Corona nicht wäre, hätte ich sie ja alle besuchen können. In den Jahren davor war ich ganz oft im Rheinland und ich habe auch ganz liebe Mädels hier vor Ort.

Schafft ihr es auch, gemeinsam in den Urlaub zu fahren?

Ja, vor Corona sind wir zwei Mal im Jahr im Urlaub gewesen. Dadurch, dass wir zwei feste Mitarbeiter haben und auch mein Bruder und ein Großneffe von Günther helfen, können wir beruhigt wegfahren. Dass ich diesen Teil meines Lebens nicht aufgeben würde, war Günther bewusst.

Günther kommt zu uns und beteiligt sich am Gespräch

Wer von euch kümmert sich denn um die viele Büroarbeit?

Juliane Ich helfe nur ein wenig. Es ist total spannend, wenn der Gutachter für die Biogas-Anlage kommt. Dann sitzen wir beide tagelang an dem Tagebuch, in das alle Werte übers Jahr eingetragen werden müssen.

Günther Unsere Anlage ist eine NawaRo-Anlage, man darf ausschließlich Mist, Mais und Gülle verwerten. Alle nachwachsenden Rohstoffe, aber keine gewerblichen. Ich muss alles selber produzieren oder darf von landwirtschaftlichen Betrieben zukaufen. Wenn wir das nicht nachweisen könnten, würden wir den NawaRo-Bonus von 6 Cent/kWh verlieren und damit wäre die Anlage nicht mehr wirtschaftlich.

Gibt es inzwischen nicht die Möglichkeit, so etwas digital zu verwalten?

Günther Es gibt ein digitales System, aber um das effektiv nutzen zu können, müsste mein Mitarbeiter mitmachen. Er ist über sechzig und Russlanddeutscher, er lehnt jede Form der Digitalisierung ab. Es ist ohnehin schwierig, da alle Mitarbeiter, die mit der Anlage zu tun haben, absolut fit mit dem System sein müssten. Denn jede Eingabe hinterlässt natürlich ihre Spuren und es wäre schwer, Fehler zu vermeiden.

Was wir digitalisiert haben ist die Ackerschlagkartei, die haben alle auf dem Handy. Da müssen wir genau dokumentieren, wann was gedüngt, gespritzt, gepflanzt, geerntet wurde, damit alles kontrolliert werden kann und wir eine Prämie erhalten. Der Staat macht das gut: Er hat uns absolut in der Hand indem er sagt, du bekommst eine Betriebsprämie, aber dafür musst du das machen, darfst dies machen und jenes nicht. Das ist ein ganzer Katalog von Vorgaben! Rein vom Gesetz her dürfte man zum Beispiel die Tiere anders halten. Aber wenn die Betriebsprämie daran gekoppelt ist, dass das Schwein, das Huhn oder die Kuh so und so viel mehr Platz hat als gesetzlich vorgeschrieben, kann man alles einfordern, ohne dass es dafür ein Gesetz braucht. Bei uns macht das jährlich dreißigtausend Euro aus.

Um diese Prämien zu bekommen, muss man also erstmal viel Zeit, Geld und Nerven aufwenden?

Prämien bekommt man nur, wenn man die Vorgaben einhält. Das wiederum macht nur Sinn, wenn es auch kontrolliert werden kann. Also muss alles dokumentiert und geprüft werden. Bei der Biogas-Anlage zum Beispiel kam nach einigen Jahren ein Emissionsbonus dazu. Um den zu bekommen, brauchte man einen Umbau des Motors mit Katalysator und zur Kontrolle kam der Umweltgutachter. Die Vorgaben werden regelmäßig ergänzt und verschärft. So kommt es von einem Bonus und Gutachter zum nächsten.

Wir bekommen zehntausend Euro Emissionsbonus, die zweitausenfünfhundert Euro für die Kontrolle müssen wir selber zahlen. Im letzten Jahr mussten wir den Motor reparieren, damit wir die Werte einhalten konnten. Die Reparatur hat neuntausendfünfhundert Euro gekostet. Wenn wir Glück haben, verdienen wir im kommenden Jahr wieder etwas daran! Es fressen ganz viele mit.

Es ist auch zu hinterfragen, ob es richtig ist, die Steuern der Leute zu nehmen, sie über Brüssel zu leiten, wo schon mal viel hängen bleibt, dann das Geld den einzelnen Ländern zuzuteilen, wo es von weiteren Behörden verwaltet und verteilt wird. Ich habe mal gelesen, dass die Hälfte der von der EU bereitgestellten Agrarsubventionen für die Verwaltung drauf geht.

Wie ist es denn bei euch mit der Altersabsicherung und der Nachfolge?

Juliane Wir denken, Ferienwohnungen können wir im Alter noch vermieten und auch einen kleinen Hofladen betreiben. Für die Fleischrinder gibt es bei uns in der Familie Leute, die sich einbringen würden. Diese Bürde, den Hof weiterzuführen, würden wir unserem Sohn auf gar keinen Fall auflegen, egal, wie alt er ist. Wenn er das selber möchte, sich hier engagieren und mitarbeiten, dann freuen wir uns. Wenn nicht, ist es genauso gut. Wir möchten den Betrieb so umstellen, dass wir die nächsten zwanzig Jahre gut davon leben können und nicht mehr ganz so viel Arbeit haben.

Günther Aber es ist trotzdem keiner da, der mir eine Rente zahlt. Die gesetzliche Rente liegt irgendwo bei sechshundert Euro, da kann man nicht von leben. Ich habe sicherlich auch ein stückweit vorgesorgt. Ein Ziel ist schon, dass der Standort erhalten bleibt, weil viel investiert worden ist und weil er so werthaltig sein sollte, dass für mich mal eine Rente kommt. Das sind Fragen, die uns gerade bewegen, wie machen wir das am geschicktesten?

Die Rente scheint für viele Landwirt*innen ein Problem zu werden, da immer weniger Betriebe von den Kindern weitergeführt werden.

Ich habe mit 29 den Betrieb übernommen und meinen Eltern eine lebenslange Rente zugesichert, das sehe ich bei mir nicht und das ist schon blöd. Die landwirtschaftliche Rente ist so niedrig, weil man immer davon ausgegangen ist, dass der Hof weitergeführt wird. Aber jetzt gibt es einen Bruch, so viele Betriebe werden aufgegeben und die ältere Generation kämpft mit Altersarmut. Da habe ich schon Angst vor. Von daher versuchen wir jetzt so zu agieren, dass es irgendwie weitergeht. Vielleicht sind dann keine Kühe mehr da, aber irgendetwas anderes. Ein wichtiges Ziel für uns ist, näher an den Endkunden ranzukommen. Deshalb können wir uns auch gut vorstellen, mehr mit Pferden zu machen. Wir haben das Grünland, das Know-how wie man Futter produziert, auch die Maschinen sind da. Das sind so Gedanken, die wir haben.

Bei den Kühen ist es momentan so, dass alles bei mir liegt. Die Technik, das Management, die Besamung, die Kalbung, die Krankheiten, für alles bin ich verantwortlich. Das möchte ich so nicht weiter machen. Es geht auf die Gesundheit und es ist keiner da, der es übernehmen will. Es ist naheliegend, etwas zu verändern.

Juliane Die Milchviehgeschichte ist einfach Günther in Person, wir anderen verfügen nicht über das notwendige Fachwissen. Neulich habe ich mich ganz böse erschrocken, weil Günter gesagt hat: „Wenn ich morgen tot umfalle, musst du von heute auf morgen aufhören. Weil du das Know-how nicht hast.“ Wenn wir die Fleischrinder hätten und eine Pferdezucht, dann könnte es weiter gehen. Da hat er auch Recht mit. Ich war in dem Moment natürlich total geschockt, das darf gar nicht passieren, wir sind ja erst sieben Jahre zusammen, aber am Ende hat er recht. Ich habe davon wirklich keine Ahnung.

Günther Das ist eine Schwäche der landwirtschaftlichen Betriebe: Die meisten sind ja Familienbetriebe, wenn da einem was passiert, haben sie keine Chance mehr, weiter zu machen. Aber man kann doch kein Unternehmen aufbauen, das von einer Person abhängig ist.

Ich habe selber Erfahrung in mittelständischen Unternehmen gesammelt, da ist es natürlich schwer, wenn der Chef wegfällt, aber eigentlich ist jeder ersetzbar. Das ist in der Landwirtschaft nicht so.

Juliane Ich glaube, wir laufen jetzt in die richtige Richtung. Wenn die Vermietung nach Corona gut läuft, dann haben wir in zwei Jahren wieder Kraft, das nächste Projekt in Angriff zu nehmen. In Richtung Pferde zu gehen, das könnte gut klappen, Günther hat ein richtig gutes Händchen für Pferde.

Günther Ich habe schon von ganz klein auf geritten, mein Vater hat mich sehr unterstütz und ist mit mir auf viele Lehrgänge und Turniere gefahren, am Ende hatte ich fünf Pferde zu reiten. Mit 16 hätte ich mich für Warendorf an die Bundeswehrsportschule bewerben können, aber dann habe ich mich für die Kühe entschieden. Am Ende sollte man nicht zurück blicken und sich fragen, ob es die richtige Entscheidung war.

Es ist schon eine mutige Entscheidung gewesen, in die Ferienwohnungen zu investieren, oder?

Günther Ja, das war es. Andererseits hat meine Familie schon in den 70er Jahren Ferien auf dem Bauernhof angeboten. Da habe ich den Kontakt mit Gästen schon gelernt. Allerdings mussten wir vier Kinder im Sommer immer unsere Zimmer räumen und in den Keller ziehen, das war nicht gerade einfach.

Hatten deine Schwestern Ambitionen, den Hof zu übernehmen?

Nein, keine hat mehr mit der Landwirtschaft zu tun. Ich selber hätte gerne was mit Garten- und Landschaftsplanung gemacht. Weil ein guter Lehrbetrieb damals auf Jahre belegt war, haben meine Eltern mich schon mit zwölf dort angemeldet. Mein Vater hätte sich nicht vorstellen können, dass ich etwas anderes mache. Erst waren da drei Töchter, und dann kam der Sohn. Ich glaube, für meinen Opa und meinen Vater stand das gar nicht zur Debatte.

Nach der Realschule habe ich 1983 das erste Lehrjahr in unserem Betrieb gemacht, da haben wir den Kuhstall gebaut, einen Boxenlaufstall. Das zweite Lehrjahr auf dem Fremdbetrieb war für mich ein unheimlich wertvolles Jahr, dank meines Lehrchefs. Ich hatte Glück, denn ich war auf einem der besten Rinderzuchtbetriebe Deutschlands. Wir haben hier zwar auch gezüchtet, aber auf einem ganz anderen Niveau. Dort bin ich in die Oberklasse eingestiegen und das hat meinen Horizont sehr erweitert.

Der Bruder meines Lehrchefs war damals Vorsitzender einer Zuchtorganisation und hat mich wiederum mit anderen bekannt gemacht. Weil ich Mentoren gefunden hatte, die mich unterstützt und gefördert haben, habe ich unglaublich profitiert. Ich bin mit auf den wichtigen internationalen Messen gewesen und kam in wahnsinnig spannende Kreise rein. Ich lernte Leute kennen, die wirklich viel Ahnung von der Zucht und noch dazu ein aufgeschlossenes Weltbild hatten. Das waren tolle Erfahrungen! Die Zucht war dann für mich nach dem Reiten der Einstieg in eine neue Welt.

Hast du deine Begeisterung für die Zucht dann auf dem elterlichen Betrieb umgesetzt?

Ja, mein Vater und ich haben angefangen, die Zucht aufzubauen, mit Embryotransfer. Der Grundstock war da und wir haben richtig Gas gegeben. Vielleicht war es bei mir schon immer ein wenig ins Extreme rein: Erst das Reiten, danach die Zucht und dann habe ich ganz viele Tier-Shows gerichtet, so Schönheitswettbewerbe für Kühe. Traditionell hat eine Gruppe älterer Männer die Kühe beurteilt und gerichtet, dann wollte man das neu aufziehen und hat nach jungen Leuten gesucht, da war ich dann dabei. Wir haben eine Jungpreisrichter Gruppe gegründet, haben Schulungen mitgemacht und so. Dann habe ich europäische und internationale Wettbewerbe gerichtet und war sehr viel als Richter für die Holsteiner Milchkühe unterwegs. Das war auch eine spannende Zeit!

Aber dann bekamen wir 1998 einen IBR-EinbruchInfektiöse Bovine Rhinotrachelitis, Entzündung der Nase- und Luftröhre., ein Herpes-Virus. Wenn ich hätte weiter züchten wollen, hätte ich die Herde keulen müssen, um mit einer anderen neu anzufangen. Die Alternative war, nicht mehr zu vermarkten, also keine Bullen mehr an die Besamungsstation abzugeben. Ich habe mich gegen das Keulen und für das Impfen entschieden, denn das Virus ist nicht wirklich schlimm für die Kühe. Damit war die Zucht so gut wie tot. Es hat sich über zehn Jahre hingezogen, bis wir wieder einen freien Status hatten. Dann war aber die Zeit vorbei, ich war raus.

Du musstest dann also nach der Zeit, in der dein Schwerpunkt auf der Zucht lag, einen anderen Weg gehen?

Wir haben aufgestockt, mehr Milchkühe behalten, weil wir die Nachzucht auch nicht verkaufen konnten. 2012 ist der Melkroboter gekommen, damit fiel das zwei Mal tägliche Melken mit der Maschine weg. Die Kühe können jetzt eigenständig zum Melken gehen.

Zwischenzeitlich in 2005 habe ich in die Biogas-Anlage investiert, da hatte ich dann sehr viel mit dem Wärmenetz, Photovoltaik und so zu tun. Nach der Zuchtzeit kam also die Energiezeit.

Juliane Günther hat immer solche Projekte. Er könnte dir jetzt noch fünf Stunden erzählen, was er schon alles gemacht hat. Und das mit mir, der Event- und Kinderbauernhof ist wieder eine neue Dekade.

Günther Es hat sich so gefügt. Ich habe das Glück, dass Juliane so etwas kann, die Grundlage ist da. Und sie hat das Glück, dass sie mit mir jemanden hat, der sich nicht scheut, mit viel Idealismus und Investitionen etwas Neues anzugehen. Diese Einstellung hat letztendlich auch mein Leben geprägt.

In der Preisrichterzeit habe ich viel gelernt: Man kann hergehen und sagen, die erste Kuh hat gewonnen, weil sie toll ist. Die zweite geht an der Stelle, weil sie ein schlechteres Euter hat, schief guckt und schlechte Füße hat. Dann ist der mit der zweiten Kuh natürlich total deprimiert. Das war das Richten, das die alten Herren gemacht haben. Und dann kam von Amerika ein neuer Stil: Die erste Kuh ist bildschön und hat ein tolles Euter. Sie geht vor der zweiten, weil der Kopf noch ein bisschen schöner ist als bei der zweiten. Die zweite hat auch besondere Merkmale, und sie geht vor der dritten, weil dieses oder jenes schöner ist, als bei der dritten. Das ist eine ganz andere Art zu richten und kommentieren. Am Ende waren alle zufrieden und haben nachvollziehen können, weshalb die Entscheidungen so getroffen wurden.

Ich finde, es ist immer wichtig, begründen zu können, weshalb man was macht. Wenn mich jemand fragt, weshalb wir keinen Bio-Betrieb haben, kann ich das genau begründen. Ich kann dir meinen Abwägungsprozess beschreiben und dieser Prozess ist durchsichtig und nachvollziehbar.

Politische Entscheidungen sind ja häufig nicht durchsichtig und nachvollziehbar. Wie geht es dir damit?

Ein Beispiel aus der Politik, das mich im Moment sehr bewegt, ist folgendes: Wir haben durch die Trockenheit, den folgenden Borkenkäfer sowie Sturm sehr viel Schaden im Wald. Große Flächen müssen aufgeforstet werden und man befürchtet, dass durch den Verbiss des Rotwilds an den jungen Bäumen ein großer wirtschaftlicher Schaden entsteht. Es ist unmöglich, alle Pflanzungen durch Einzäunung zu schützen.

Deshalb soll der BesatzBezeichnet den Wildbestand in einem Revier. auf ein Stück Rotwild pro hundert Hektar runtergefahren werden. Wir haben aktuell im Reinhardswald noch 6-7, waren aber mal bei über zwanzig. Man weiß aber, dass bei so wenig Besatz der Sozialkontakt so gestört wird, dass es zu mehr Inzucht und Problemen führt. Aber Frau Klöckner sagt, dass aus wirtschaftlichen Gründen und um den Wald zu schützen, der Besatz reduziert werden soll. Es gibt Abschussprämien für Rotwild, je mehr der Pächter abschießt, desto weniger Pacht muss er bezahlen. Da werden gesunde Tiere geschossen, um den Wald zu schützen.

Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Probleme mit Wölfen, unter denen besonders die Schäfer leiden: Wenn ein Schäfer seinen Zaun nicht ordentlich baut, bekommt er eine Anzeige von den Tierschützern, weil der Wolf die Schafe geholt hat. Er muss hohen wirtschaftlichen Aufwand betreiben, um die Schafe zu schützen. Dass die Schäfer sich verarscht fühlen, kann ich wirklich verstehen. Die machen ihren Job mit Herzblut. Die Begründung für das eine wie für das andere, wie soll das zusammen passen? Ich kann es nicht nachvollziehen.

Mir als Kuhhalter wird gesagt, wer aus wirtschaftlichen Gründen Tiere hält, muss sie artgerecht halten, darf ihnen kein Leid zufügen, und so weiter. Wenn es neue Anforderungen an die Haltung gibt, zum Beispiel bei der Schweinehaltung wie nach dem Magdeburger Kastenstandsurteil, muss ich Geld investieren, damit ich diesen Anforderungen gerecht werde. Aus meiner Sicht ist allerdings das Halten von Rotwild im Wald auch ein wirtschaftliches Halten, so müsste es hier zumutbar sein, den jungen Wald zu schützen und den Wildbestand auf einem artgerechten Niveau zu halten. Die Politiker verstehen gar nicht, was sie im Umkehrschluss nicht tun, wenn das Argument die Wirtschaftlichkeit ist. In Bezug auf den Wald sagen die Politiker, der Rotwildbestand muss runter, und gesunde Tiere müssen abgeschossen werden, um den Wald zu schützen. Während dem Schweinehalter gesagt wird, du musst investieren, um deine Schweine artgerechter zu halten. Das ist alles so widersprüchlich. Es wird nie das große Ganze gesehen, vieles macht keinen Sinn.

Ich finde, die Rinder, Schafe und auch die Ziegen sind für unsere Kulturlandschaft so ein wichtiges Gut. Wenn wir die Wiesen am Ende mit einem Trecker freihalten wollen, werden Arbeitskräfte und Maschinen benötigt. Dabei könnten das Tiere machen, die auch noch Nahrungsmittel produzieren. Gleichzeitig soll doch CO2 eingespart werden und die Landwirtschaft weniger Emissionen verursachen. Das ist unverständlich. Es ist für mich echt schwer, diese Begründungen mit den ganzen Widersprüchen auszuhalten. Da sagt man am Ende, lasst mich doch damit in Ruhe.