Du bist erst vor ein paar Jahren auf den SoodehofEins gekommen und sozusagen eine Quereinsteigerin in der Landwirtschaft. Wie kam es dazu?
Ich habe damals in Düsseldorf gelebt und war zu Besuch bei meinen Eltern. Auf dem Reitturnier hier in Hombressen habe ich Günther kennen gelernt. Es hat sofort gefunkt zwischen uns! Nachdem wir uns eine zeitlang immer nur getroffen haben, mussten wir entscheiden, wie es weitergehen soll.
Ich wollte damals nicht direkt hier auf den Hof ziehen. Ich war schon länger getrennt, aber Günther erst kurz. Wir haben dann ein Jahr gemeinsam in Burguffeln gelebt. Drei bis vier Tage war ich bei ihm, den Rest der Woche in Düsseldorf, da habe ich in einer Jugendherberge gewohnt. Günther meinte auch, dass das die schönste Zeit seines Lebens gewesen sei. Wir haben so richtig intensiv gelebt, sind zusammen ausgeritten, haben zusammen gekocht, sind ausgegangen, haben viel mit meinem Sohn unternommen.
Irgendwann stand die Entscheidung an: mein Leben in Düsseldorf behalten, oder aufs Dorf zurück gehen? Ich hatte gerade begonnen, mich hier zu bewerben - und dann war ich schwanger. Damit war die Entscheidung, das Kind zu bekommen und auf den Hof zu gehen, für mich klar!
Seit wann bist du jetzt auf dem Hof?
Seit fünf einhalb Jahren.
Bist du von allen willkommen gewesen?
Nein, ich war nicht willkommen. Die Eltern meines Mannes haben damals noch beide hier gelebt, der Vater ist leider vor kurzem verstorben. Es war nicht einfach. Mit mir ist ganz viel frischer Wind hierher gekommen und natürlich viele Veränderungen. Mein Halt war meine Familie. Ich stamme ja aus Hombressen und bin nach dem Abi Richtung Kassel und immer weiter weg gezogen, habe in Frankreich, der Schweiz gelebt und in den USA. Meine Eltern sind hier und auch mein altes Umfeld, meine Freunde. Die haben mir den Rücken gestärkt und sich gefreut. Als unser Sohn kam, war ich akzeptiert, aber geliebt war ich von seiner Familie nie.
Mir hat geholfen, dass ich nicht zwanzig war sondern eine Frau über vierzig. Irgendwann hat man seinen Standpunkt und sagt, ich gehöre jetzt hier her und wir gehören zusammen. Mein Mann war immer bei mir, bedingungslos. Er hat immer hinter mir gestanden und mir das Gefühl gegeben, dass er möchte, dass ich hier bin und bleibe. Wir haben sogar geheiratet! Da wir es beide versemmelt hatten, war das nicht von Anfang an klar. Wir hatten ein großes Fest auf dem Hof.
Jetzt fühle ich mich hier zu Hause, der Hof ist mir wirklich ans Herz gewachsen.
Als wir am Telefon gesprochen haben, sagtest du, der Umzug auf den Hof sei ein bisschen wie ein Kulturschock für dich gewesen. Kannst du das beschreiben?
Ich habe nach unserem Telefonat mit Günther darüber gesprochen. Er meinte, dass der Begriff doch ein bisschen hart sei. Aber ich finde, er trifft es schon ganz genau. Ich habe mich nicht nur für den Mann entschieden, sondern für ein komplett neues Leben. Ich bin aus einer Position im Management in Düsseldorf, zu der auch ein gewisses Umfeld und ein Lebensstil gehören, aufs Dorf gekommen. Auf einen Bauernhof mit über 130 Milchkühen, Rindern, Pferden, ein paar Schafen und Ziegen und einer Biogasanlage. Und ich habe ganz neue Aufgaben übernommen, mein Leben komplett umgekrempelt, alte gute Freundschaften aufleben lassen und viele tolle neue Menschen kennengelernt.
Es hat eine Menge Mut dazu gehört. Das macht man nicht mal eben so aus dem Handgelenk. Mein Chef ist damals aus allen Wolken gefallen! Er hat gedacht, ich drehe komplett durch. Und auch viele meiner Freundinnen waren davon überzeugt, dass ich das nicht schaffen würde. Sie sagten: „Der Mann ist toll, aber auf einem Bauernhof leben, das kannst du nicht!“
Du hast dich also komplett neu erfinden müssen! Das gilt auch für deine Berufstätigkeit. Der SoodehofEins ist inzwischen nicht mehr nur ein klassischer Milchviehbetrieb, ihr bietet Events, Seminare, Kinderbetreuung und Ferienwohnungen an. Wie ist es dazu gekommen?
Als Juri fast zwei wurde, habe ich gedacht: „Und jetzt?“ Ich brauche doch wieder einen Job, ich kann nicht nur Hausfrau und Mutter sein. Mir ist es schon wichtig, finanziell unabhängig zu sein, auf eigenen Beinen zu stehen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, von Günther zu leben, auf so einem Hof, das geht für mich nicht. Wenn ich eine Stelle angenommen hätte, wäre ich viele Stunden am Tag weg gewesen und hätte nur wenig Zeit für die Kinder gehabt. Günther hat dann gefragt, ob der Hof nicht eine Perspektive für mich bieten würde. Aber ich bin ja nicht Landwirtin, ich hatte überhaupt kein landwirtschaftliches Know-how!
Es fing so an, dass wir immer wieder Anfragen für Kindergeburtstage hatten. Dann haben wir zwei große Hoffeste organisiert: Beim ersten gab es einen Graffiti Wettbewerb, unser großer Behälter wurde besprüht und auch ein Preis ausgeschrieben. Beim zweiten hatten wir Live-Musik mit verschiedenen Bands. So ist dann die Idee für den Event-Bereich entstanden. Ich liebe es ja, Projekte zu organisieren und Events zu veranstalten. Das wollte ich immer machen! Dank des tollen Hofes kann ich die Fähigkeiten, die ich aus meinem vorherigen Leben mitbringe, in etwas ganz Neues umwandeln.
Zu den Kindergeburtstagen kam ein Betreuungsangebot dazu. Zu uns kommen Familien aus einem Umkreis von 35 Kilometern. Ich habe letztes Jahr eine Freundin eingestellt, die mich unterstützt. Meine Schwägerin ist Pädagogin und hat mir bei der Entwicklung der Konzepte geholfen. Außerdem hat sie mir basteln beigebracht, das konnte ich vorher gar nicht! Wir sind ein kleines Team, alleine würde ich das gar nicht schaffen. Die Eltern sind bereit, dafür Geld zu zahlen, dass ihre Kinder auf einem Hof sein können und glücklich sind. Es war nicht so einfach, die Preise festzulegen. Am Anfang war ich unsicher, aber es muss ja auch etwas übrig bleiben. Die Eltern sind zufrieden und die Kinder freuen sich riesig. Den Familien ist es egal, ob wir konventionell oder biologisch wirtschaften. Wenn sie einmal hier sind, fühlen sie sich wohl und wollen bleiben, besonders die Kinder. Es ist eine Auszeit für den Kopf, obwohl sie hier auch so viel lernen.
Jetzt sitzen wir hier vor den neuen Ferienwohnungen. Sie sind wahrscheinlich durch die Corona-Einschränkungen noch nicht oft belegt gewesen?
Ja, nach den ersten Events kam uns die Idee für die Ferienwohnungen. Also haben wir angefangen, zu bauen. Meine erste Zeit auf dem Hof war sehr entspannt, aber als dann die Bauphase angefangen hat, war es hart. Da haben wir wirklich sehr viel gearbeitet. Ohne die Hilfe meiner Eltern hätte ich das nicht geschafft. Meine Mutter und mein Vater haben oft gekocht und die Kinder übernommen. Ich habe schon im Studium gesagt, dass ich mich bestimmt mal selbständig mache, es hat also irgendwie gepasst. Jetzt natürlich unter erschwerten Bedingungen. In der Pandemie mit diesem Unternehmen zu beginnen, war das Schlimmste, was einem passieren konnte. Dadurch, dass es mein Unternehmen und eine gewerbliche Differenzierungsmaßnahme in der Landwirtschaft ist, habe ich Anspruch auf Corona-Hilfen. Wir machen das Beste draus.
Dafür ist dank Corona unser Leben, was die Arbeitsbelastung betrifft, wieder relativ normal geworden. Ich habe in der Zeit ein Kinderbuch geschrieben. Das Schreiben war für mich ein innerer Ausgleich, es hat mir Ruhe gegeben und total viel Spaß gemacht. Das Buch heißt „Die Zeitreisenden“ und es geht um einen Jungen, der Angst davor hat, dass seine Oma an Leukämie stirbt. Meine Oma ist an Leukämie gestorben und ich glaube, das war der Zünder.
Du bist jetzt also selbstständige Unternehmerin! Wie ist denn die Situation bei Günther?
Günther ist im Hamsterrad mit diesem Milchviehbetrieb, das muss ich so sagen. Er ist rund um die Uhr verfügbar, hat das Handy-Headset ständig am Ohr. Damit sind auch die Maschinen vernetzt, der Melkroboter und die Biogas-Anlage, die Fehlermeldungen bekommt er sofort mit. Ich merke das an seinem Schlaf, mit einem Ohr ist er immer draußen. Dass sich das jetzt mit Mitte fünfzig mal ändert, hat er sich verdient, finde ich.
Er ist der jüngste Sohn und hat drei ältere Schwestern. Die Erwartungshaltung an ihn war ganz klar. Er wollte das ja natürlich auch ein Stück weit, soweit man das mit sechzehn einschätzen kann. Er ist ein sehr guter Landwirt und auch ein sehr guter Unternehmer. Aber es ist sehr, sehr kräftezehrend. Knapp dreihundert Tiere hat er. Und er sagt immer: „Ich bin für jedes Lebewesen verantwortlich.“ Er muss täglich nach jedem einzelnen schauen. Sind die Klauen in Ordnung, die Augen, das Euter? Er steht auch für jedes Tier nachts auf, wenn irgendetwas ist. Es ist schon ein harter Job, das muss ich wirklich sagen. Ein Landwirt, der so ein Unternehmer ist wie Günther, muss viele Talente haben: Man muss ein bisschen BWLer sein, ein bisschen Tierarzt, von Ackerbau Ahnung haben, von den Tieren, der Technik. Das können nicht so viele Menschen, es ist eine große Herausforderung.
Und dann noch die Abhängigkeit von der Molkerei! Das passt nicht mehr in die heutige Zeit. Die Milchproduzenten sind 100% abhängig von den Molkereien und haben keinerlei Einfluss auf den Preis ihrer Produkte. Ich finde das unmöglich!
Der Event-Bereich ist neben der Viehwirtschaft und der Biogasanlage als drittes Standbein gedacht, so dass Günther in seinem Bereich Dinge verändern kann. Er soll den Betrieb in Ruhe umstellen können, das war die Idee dahinter. Und ich möchte natürlich auch, dass er stolz auf mich ist, dass der Betrieb sich so weiterentwickelt hat, und dass wir gemeinsam etwas Neues versuchen.
Ihr habt also vor, den Hof neu aufzustellen. Nicht nur auf einen Biobetrieb, sondern weg von der Milchviehhaltung. Weshalb?
Die Umstellung auf einen Bio-Milchviehbetrieb wäre ein riesiger Kraftaufwand mit hohen Investitionskosten, das trauen wir uns nicht mehr zu, da ja auch kein aktueller Nachfolger da ist. Wir wollen jetzt in etwas investieren, das uns das Leben etwas leichter macht und womit wir uns besser identifizieren können.
Günther und ich können uns mit einem Bio-Fleischrinderbetrieb besser identifizieren, als mit der jetzigen Milchviehwirtschaft und der Molkerei dahinter. Günther hat schon zwei Molkerei-Pleiten miterlebt. Vor fünf Jahren haben wir diesen Absturz der Milchpreise auf 18 Cent ausgestanden. Das macht so viel Druck! Egal, wie gut man ist, man kann noch so viel arbeiten, man hat keinen Einfluss und muss die Preise als Gottgegeben hinnehmen.
Die Investitionskosten wären bei der Umstellung von Milchvieh höher?
Ja, wir bräuchten einen neuen Stall, der uns zwei, drei Millionen kosten würde. Dieser Stall ist eigentlich schon veraltet. Die Bio-Rinderzucht hingegen könnten wir im vorhandenen Stall realisieren. Während der zweijährigen Umstellung entstehen hohe Kosten, weil der Ackerbau und die Futterproduktion schon auf bio umgestellt werden müssen, man aber in diesem Zeitraum nur den konventionellen Milchpreis bekommt. Wir haben noch viele Wiesen, auf denen die Rinder stehen könnten. Da können die Milchkühen nicht drauf stehen, weil sie zu weit weg sind und die Kühe ja zum melken in den Stall müssen.
Bio ist also für euch auch ein Thema. Belastet euch die Berichterstattung über die konventionelle Landwirtschaft?
Mich gar nicht, ich sehe mich ja nicht als die typische Landwirtin. Günther kann diese Berichterstattung nicht nachvollziehen und ärgert sich darüber. Aber er freut sich mehr über jeden Gast, der herkommt und sich wohl fühlt. Das war ja auch eines unserer Ziele, dass wir den Betrieb transparent machen wollten. Wir wollen, dass viele Menschen her kommen, mit uns in den Stall gehen, egal, was wir gerade machen, ob Milchvieh oder Fleischrinder, bio oder konventionell. Einfach sehen, wie wir die Tiere halten, was sie fressen, wie wir mit ihnen umgehen. Ich habe noch nie jemanden im Stall gehabt der gesagt hat, um Gotteswillen, was macht ihr denn mit den Tieren. Ganz im Gegenteil: Die meisten finden es super, obwohl wir kein Bio-Betrieb sind.